Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens
Klippen von Salton Cliff hinüber. »Sie ist da unten versteckt, die
Metis
bewacht sie … Und wenn sie noch funktioniert, dann könnten wir sie jetzt verdammt gut gebrauchen.«
»Ja, ganz bestimmt«, murmelte Jason.
Black klatschte in die Hände. »Und nun los! Es wird Zeit, diesen verfluchten Piraten so willkommen zu heißen, wie er es verdient!«
Erst nachdem sie sich getrennt hatten, fiel Jason ein, dass sie mit Black nicht über die Spieluhr gesprochen hatten. Er steckte eine Hand in die Tasche und berührte sie mit den Fingerspitzen. Doch dann schüttelte er den Kopf. Vielleicht war das kleine Ding gar nicht so wichtig, wie er dachte.
Kapitel 6
In den Schutzkellern
Julia und Jason rannten die Straße entlang. Immer wieder flogen Kanonenkugeln über ihre Köpfe hinweg, schossen Schornsteine ab oder landeten in Schaufenstern. Jedes Mal, wenn ein Pfiff erklang, suchten die Leute in den Eingängen der älteren Häuser oder auch hinter den Stapeln von Brettern Schutz, die noch vor ein paar Tagen auf den von Schlamm überfluteten Straßen als Gehwege gedient hatten.
Als die beiden endlich St. Jacob’s Square erreichten, sahen sie, dass Pater Phoenix die Menschen hineinließ, die sich vor der Kirche versammelt hatten. Sie gingen ein paar Schritte auf ihn zu. Doch plötzlich blieb Jason stehen.
»Was ist los?«, fragte Julia.
»Ich habe etwas gesehen.« Jason meinte, aus dem Augenwinkel eine große Stichflamme wahrgenommen zu haben. Sie hatte die Gasse links von ihm erhellt und dann war eine bucklige Gestalt schreiend weggerannt. Waren es Tierschreie gewesen? Konnte es ein Affe gewesen sein?
»Wir haben keine Zeit!«, erinnerte ihn Julia. »Wir müssen zu Pater Phoenix.«
Jason reichte ihr seinen Schlüsselbund. »Ich schaue nur schnell nach. Vielleicht finde ich einen Weg, Mama und Papa zu helfen. Ich komme gleich nach!«
»Jason …«, wollte Julia widersprechen. »Ach, was soll’s! Mit dir altem Sturkopf kann man sowieso nicht reden. Pass wenigstens auf, dass du dich nicht wieder in Schwierigkeiten bringst!«
Ihr Bruder, der schon weitergelaufen war, blieb kurz stehen und zwinkerte ihr zu. Dann bog er um die Ecke und verschwand in der Gasse.
Wenige Minuten später stand Julia allein an der Ecke des St. Jacob’s Square, im strömenden Regen und mit den beiden schweren Schlüsselbunden in den Händen. In einer Stadt, die von einem Piratenschiff mit Kanonenkugeln beschossen wurde.
Die Situation war so absurd, dass sie lachen musste, obwohl sie sich die ganze Zeit über große Sorgen um ihre Eltern machte.
»Los jetzt …«, sagte sie halblaut zu sich selbst und lief zu der Menschentraube, die sich vor dem Eingang der Kirche gebildet hatte.
Im nächsten Augenblick stürzte das Rathaus, in dem auch die von Fred Halbwach bediente Druckmaschine für die Meldeformulare untergebracht war, unter der Wucht eines Geschosses ein. Die Menschen auf dem Platz schrien entsetzt auf. Julia lief an einer Gruppe von Fischern vorbei, die den womöglich in ihren Häusern gebliebenen älteren Bewohnern von Kilmore Cove zu Hilfe kommen wollten, während die Feuerwehrleute und die wenigen Polizisten versuchten, die aufgeregte Menschenmenge zu beruhigen.
»Bitte, lassen Sie mich durch! Ich muss zu Pater Phoenix! Bitte! Hallo, darf ich durch?«
Julia hielt die Schlüsselbunde hoch, um zu zeigen, dass sie etwas Wichtiges abzuliefern hatte.
»Pater Phoenix! Ich bin es, Julia.«
Der Pfarrer von Kilmore Cove hatte zerzaustes Haar und sah aus, als hätte er sich soeben einen Boxkampf geliefert.
»Julia! Geht es dir gut?«
Ohne unnötig Zeit mit Höflichkeitsfloskeln zu vergeuden, hielt ihm das Mädchen die Schlüssel hin.
Bei diesem Anblick breitete sich auf dem Gesicht des Pfarrers Erleichterung aus. Er winkte Julia zu sich unter das Kirchenportal. Dann nahm er die Schlüssel entgegen, hielt sie an die Lippen und küsste sie. »Der Herr sei gelobt! Wo hast du sie gefunden?«
»Black«, erwiderte Julia nur, völlig außer Atem.
»Wir haben sie ganz dringend gebraucht! Ich hatte nur die von der Kirche, nicht von der Schule!«, freute Pater Phoenix sich. Dann wandte er sich wieder der aufgeregten Menschenmenge zu: »Nicht drängeln! Haltet ein bisschen Abstand! Ins Pfarrhaus und dann gleich die Treppe runter. Die Messdiener warten dort und zeigen euch den Weg.«
Er ging mit Julia ein paar Schritte beiseite. »Ich muss wegen ihnen hierbleiben«, sagte er und nickte zu den Schutzsuchenden hinüber. »Aber … He, du und
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