Ulysses Moore – Die Häfen des Schreckens
du!«
Auf seinen Zuruf hin kamen zwei Jungen zu ihnen herüber. Pater Phoenix zeigte auf Julia und befahl ihnen: »Ihr zwei geht mit ihr mit. Und macht alles, was sie euch sagt, verstanden?« Dann wandte er sich wieder an Julia. »Und ihr lauft jetzt zur Schule und schließt sie auf. Der Eingang zu den Schutzräumen ist im Keller, hinter dem Raum für das Reinigungspersonal. Versammelt so viele Leute, wie ihr könnt, und bringt sie in Sicherheit.«
Julia nickte unsicher. »Okay.«
»Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann. Du schaffst das schon«, sagte Pater Phoenix zu Julia und drückte ihre Schultern.
Jason erreichte den Anfang der Gasse und spähte vorsichtig um die Ecke. Da war niemand außer einem klein gewachsenen Mann mit einem großen schwarzen Schirm, der sich mit einem Schlüssel in der Hand an einer weißen Tür zu schaffen machte.
Er erkannte ihn fast sofort. »Mister Voynich!«
Der Chef der Brandstifter richtete automatisch seinen Schirm schussbereit auf Jason.
»Ich bin’s doch!«, rief der Junge und kam mit erhobenen Händen hinter der Straßenecke hervor.
Voynich senkte den Schirm und Jason lief zu ihm.
»Ich dachte, du wärst eines von diesen verfluchten Biestern«, murmelte Voynich. Dann versuchte er weiter vergeblich, die Tür aufzuschließen, und fluchte dabei leise vor sich hin.
»Lassen Sie es mich mal probieren«, bot Jason an. »Geben Sie mir Deckung.«
Der Schlüssel hatte sich in seinem Silberkettchen verfangen. Jason gelang es schließlich, beides zu entwirren und das Schloss zu öffnen. Ein leichter Tritt gegen die Tür und sie sprang auf. Tastend suchten sie nach Lichtschaltern, und wenige Sekunden später erhellte eine Glühbirne einen kleinen Vorraum, an dessen Wänden zahlreiche Urkunden hingen. Jason ließ seinen Blick darüber gleiten: »Goldener Hirsch 1974. Großer Preis des Bären. Meisterbrief Tierpräparation …«
»Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte er Voynich.
»Das ist die Werkstatt von Miss Stellas verstorbenem Mann«, antwortete Voynich. »Wir müssten hier etwas Nützliches finden …«
»Nützlich wozu?«
Der Chef der Brandstifter schloss die Tür zur Straße von innen ab. Dann streifte er sich das Regenwasser von der Kleidung und ging zu einem schwarzen Telefon.
»Nützlich wie das hier, zum Beispiel …«
Er nahm den Hörer ab, wählte sorgfältig eine sehr lange Nummer und hörte das Klicken, das das Zustandekommen einer Verbindung anzeigte. Dann erklang das Besetztzeichen.
»Das war ja klar! Es ist belegt. Weil sie die Telefonrechnung nicht selbst zu zahlen brauchen, verbringen die Mitarbeiter natürlich ihre ganze Zeit am Telefon. Sogar um vier Uhr morgens! Sobald diese Geschichte vorbei ist, fahre ich nach London und mache den Laden dicht. Das wird das Erste sein, was ich tue! Zum Teufel mit den Brandstiftern und unserer Geheimnummer für Notfälle!«
Wütend ging Voynich, gefolgt von Jason, in den sich anschließenden Raum hinüber.
Auf Konsolen an den Wänden standen ausgestopfte Tiere: ein Pfau, ein Graupapagei, eine Gazelle. Schränke und Vitrinen enthielten das Werkzeug des Präparators: Scheren, Pinzetten, Messlatten, Behälter mit Seife und anderen Flüssigkeiten, Watte, Rohlinge aus Kunststoff, Tonnen voller Sägespäne, Drahtgerüste, Schaumgummi und Glasaugen.
»Hier sind sie nicht …«, murmelte Voynich verärgert, nachdem er sich gründlich umgeschaut hatte.
Im nächsten Zimmer, in dem sich auch der Hinterausgang befand, hingen Glaskästen mit Hunderten von Insekten an den Wänden. Die Tiere waren so gut konserviert, dass sie aussahen, als lebten sie noch: Käferflügel glänzten metallisch, Falter wirkten samtig und weich.
Jason war so fasziniert, dass er vor ihnen stehen blieb und sie bewunderte, während Voynich den letzten Raum der Werkstatt betrat.
»Ach, hier sind sie ja!«, rief er erleichtert aus.
Der Junge folgte ihm und bekam vor Staunen den Mund nicht mehr zu.
Eine kleine Deckenleuchte warf den vergrößerten Schatten des Brandstifters an die Wand, der sich über die geöffneten Schubladen eines Schranks beugte. Ordentlich verstaut lagen darin zwei Waffen: ein altes Jagdgewehr und ein Luftgewehr. Aus dem hinteren Bereich der Schublade holte Voynich eine Schachtel hervor und las unter der Lampe die Aufschrift. »Sophor 45. Damit kann man sogar einen Elefanten einschläfern. Hier!« Er reichte Jason die Betäubungspatronen und dieser nahm sie geistesabwesend entgegen. Denn seine Aufmerksamkeit wurde von
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