Ulysses Moore – Die Stadt im Eis
Ahnung, was mit Rick und Julia und mit all den anderen geschehen war.
»Warum versuchen wir es nicht noch mal mit Moreaus Notizbuch?«, schlug Anita vor. »Vielleicht schaut jetzt gerade jemand hinein.« Und sie holte rasch Moreaus kleines Buch aus ihrem Rucksack und schlug es auf.
Ein weiteres Geräusch, das von draußen kam, veran lasste sie beide, sich hinter der Ladentheke zu verstecken. Dort blätterte Anita weiter in dem Notizbuch, und ihr kam es vor, als würden die Seiten zwischen ihren Fingern vibrieren. In einem der Rahmen entdeckte sie Julias Bild.
»Deine Schwester ist da«, sagte sie aufgeregt und legte die Hand auf die Abbildung.
Erleichtert atmete Jason auf. »Schnell, frag sie, wo sie steckt!«
Anita schloss die Augen und konzentrierte sich, um über die Seiten des Notizbuchs mit Julia in Verbindung zu treten. Sie hatten beide ein Exemplar bei sich, und es gab nur noch zwei weitere, sodass höchstens vier Leser über seine Seiten miteinander kommunizieren konnten.
Der Gedankenaustausch zwischen den beiden Mäd chen ging sehr schnell vonstatten.
»Schlechte Nachrichten, Jason«, berichtete Anita. »Der Doktor hat Julia und Rick in seinem Keller einge schlossen!«
Kapitel 12
Der Schlüssel im Schloss
May Square gab es nicht mehr.
Der hübsche, kleine gepflasterte Platz in der Altstadt von Kilmore Cove mit dem Brunnen in der Mitte bestand nur noch aus Schlamm und Trümmern. Das Postamt an der einen Seite des Platzes war vollständig überschwemmt und Kalypsos Buchladen auf der gegenüberliegenden Seite befand sich in einem furchtbaren Zustand. Die Schaufensterscheiben, die Ladentür mit dem Glöckchen und sämtliche Möbel waren verschwunden. Nur noch Reste der Mauern und der Tür- und Fensterrahmen schienen übrig geblieben zu sein.
Das Wasser hatte die Bücher aufgeweicht, und jetzt bedeckte ein dicker Brei aus Papier und Karton die umliegenden Bürgersteige, während die Schutzumschläge durch die Luft flatterten und an so gut wie allen Gebäuden des Städtchens Buchseiten klebten.
Eine größere Anzahl an Leuten hatte sich, mit Schaufeln, Besen und anderen Geräten bewaffnet, darangemacht, die Straßen zu reinigen. Handwerker hatten begonnen, beschädigte Mauern abzustützen. Die beiden Klempner des Ortes, die seit Menschengedenken miteinander einen erbitterten Krieg um Kunden führten, hatten sich stillschweigend auf Waffenruhe geeinigt und gingen nun von Haus zu Haus, um alles zu reparieren, was zerstört worden war. Damit nicht noch Schlimmeres geschah, hatten sie an vielen Stellen den Strom abgeklemmt.
Die Gebrüder Schere und die drei Flint-Cousins sahen sich in dem zerstörten Buchladen um.
»Wart ihr wirklich hier drinnen?«, fragte der Locken kopf noch einmal und zeigte auf den schwarzen Abgrund, der sich dort öffnete, wo sich noch vor Kurzem der Fuß boden von Kalypsos Geschäft befunden hatte.
Der Blonde lehnte sich an eine Mauer an, um hinun terzuschauen. Dabei brach ein Teil der Wand unter sei nem Gewicht weg und stürzte in die Tiefe.
»Ja, und die Tür ist da drüben, im Hinterzimmer«, sagte der kleine Flint und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ja genau, im Hinterzimmer«, wiederholte der große Flint und nahm dieselbe Haltung wie sein kleinerer Cousin ein.
»Können wir jetzt endlich rüber zu Chubber gehen?«, fragte der mittlere Flint, der nicht nur seinen Arm, son dern auch seinen Magen wieder spürte.
Es sah aus, als wäre mitten in dem Gebäude eine Bombe explodiert: Die Trennwände waren eingestürzt und auch im oberen Stockwerk war kein einziges Fenster ganz geblieben.
»Ich glaube nicht, dass diese Tür, von der ihr sprecht, noch existiert«, meinte der Blonde und versuchte, den schwarzen Schlund mit seinem Feuerzeug auszuleuch ten. Er kletterte über einen Trümmerhaufen, stieg zwi schen Pfützen hindurch und fragte sich, wo in aller Welt wohl das Hinterzimmer sein könnte, von dem die Jungen da sprachen. Auf einmal machte er halt, hielt das Feuer zeug höher und stellte fest, dass sich hinten, im finsters ten Teil des ehemaligen Ladens, jemand befand.
Wer auch immer es war – er schien seine Anwesenheit nicht bemerkt zu haben. Er stand mit dem Rücken zu ihm, hatte die Hände im Nacken verschränkt und starrte auf das einzige Stück der hinteren Außenmauer, das noch an seinem Platz stand. Und in das eine Tür eingelassen war.
»Man kann hier sehr gut sehen, auch ohne Licht«, sagte die Person, ohne sich umzudrehen.
Betroffen erkannte der
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