Um Haaresbreite
Kanada oder den Vereinigten Staaten beugen.«
»Dein Mann hat mir den Weg dazu abgeschnitten. Ohne Zeit, eine richtige Organisation aufzubauen, schaffe ich es nie.«
»Und wenn Jules Guerrier sterben würde?«
Villon lachte zum ersten Mal. »Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Jules mag alle erdenklichen Krankheiten haben, aber er ist kräftig genug, uns alle zu überleben.«
Danielles Gesicht wurde hart. »Jules muß sterben, um Quebec zu retten.«
Das war klar ausgedrückt. Villon versank in Gedanken. »Bei den anderen war es nicht das gleiche. Es handelte sich um Fremde, und ihr Tod war politische Notwendigkeit. Jules ist ein loyaler Franzose. Er steht länger im Kampf als wir alle«, sagte er schließlich.
»In Anbetracht dessen, was wir gewinnen, ist der Preis nicht zu hoch.«
»Der Preis ist immer zu hoch«, sagte er. »In letzter Zeit frage ich mich oft, wer der letzte Überlebende sein wird, wenn alles vorüber ist.«
33
Gly trat vor den Spiegel, der über dem fleckigen Waschbecken hing, und bearbeitete sein Gesicht.
Er zog eine weiße Schaumgummiprothese über seine eingeschlagene Nase, verlängerte die Spitze und erhöhte das Nasenbein. Er befestigte den künstlichen Zuwachs mit Klebstoff, färbte ihn mit einer besonderen Schminke, legte etwas Puder auf, um den Glanz zu entfernen.
Die Augenbrauen hatte er sich ausgezupft. Jetzt legte er zwei Doppelklebestreifen darauf, bepflanzte sie mit buschigem Kräuselhaar, das er mit einer Pinzette zurechtzupfte. Die neuen Brauen waren höher gewölbt und wirkten sehr natürlich.
Er hielt inne, trat einen Schritt zurück und verglich das Resultat mit den unten am Spiegel aufgeklebten Fotos; sichtlich zufrieden mit seiner Arbeit, strich er ein wenig dunklere Schminke vom Kinn den Kiefer entlang bis unter jedes Ohr. Als nächstes noch einen Tupfen Erdfarbe unter das Kinn. Mit dieser kunstvollen Bemalung gab er seiner ovalen unteren Gesichtshälfte ein kantigeres Aussehen.
Den Mund machte er mit einem Lippenstift zurecht, zog dann einen etwas dunkleren Strich unter die Unterlippe, damit sie dicker und hervorstehender wirkte.
Jetzt kamen die Kontaktlinsen. Das war der Teil der Prozedur, den er haßte. Die braunen Augen gegen graue auszuwechseln, das kam ihm vor, als vertausche er seine Seele. Als die Linsen aufgelegt waren, besaß er keine Ähnlichkeit mehr mit Foss Gly.
Die letzte Note war die braune Perücke. Er setzte sie sich wie eine Krone mit beiden Händen auf seinen kahlen Schädel.
Dann trat er wieder zurück, betrachtete sich von vorn und im Profil, beleuchtete sich dabei mit einer kleinen Lampe aus verschiedenen Winkeln. Die Maskierung war fast vollkommen, so vollkommen wie nur möglich, wenn man die primitiven Bedingungen, das düstere Badezimmer und das lausige Hotel, in dem er wohnte, in Betracht zog.
Der Nachtportier war nicht an seinem Pult, als er durch die Halle ging. Zwei Seitenstraßen und eine Gasse weiter saß er am Steuer eines Mercedes. Er hatte ihn auf dem Parkplatz einer Bank gestohlen und die Nummernschilder ausgewechselt.
Er fuhr durch die Altstadt von Quebec City, scharf an den Bordsteinen der engen Straßen vorbei, hupte einen Fußgänger an, der sich erst aus dem Wege machte, nachdem er Gly feindselig gemustert hatte.
Es war wenige Minuten nach neun, und die Lichter von Quebec spiegelten sich auf dem Eis des St. Lawrence. Gly fuhr unterhalb des berühmten Château Frontenac Hotels vorbei und bog in die Schnellstraße am Flußufer ein. Im raschen Verkehr war er bald am Battlefields Park auf der Plains of Abraham, wo die britische Armee 1759 die Franzosen besiegt und Kanada für das Empire gewonnen hatte. Er erreichte das vornehme Wohnviertel von Sillery.
Große, festungsähnliche Steinhäuser, in denen die reichen und gesellschaftlich anerkannten Berühmtheiten der Provinz lebten.
Gly schätzte eine solche Sicherheit nicht. Ihm erschienen die Häuser wie Grüften, deren Bewohner nicht wußten, daß sie schon lange tot waren.
Er hielt vor einem schweren Eisentor und meldete sich in einer Sprechanlage. Er erhielt keine Antwort. Das Tor schwang auf, und er bog in eine runde Auffahrt ein, die zu einem imposanten Granitgebäude, umgeben von großen Rasenflächen, führte. Er parkte den Wagen vor dem Eingangstor und klingelte. Der Chauffeur und Leibwächter Jules Guerriers verbeugte sich und führte Gly in die Halle.
»Guten Abend, Monsieur Villon, das ist aber ein unerwartetes Vergnügen.«
Gly war zufrieden. Seine
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