Um Haaresbreite
konnte sie mit dem umliegenden Gewebe verschmelzen. Die Blässe um das Innere der Lippen färbte er ein wenig dunkler, um einen weiteren Hinweis auf Erstickung zu beseitigen.
Die Augen starrten blicklos, und Gly drückte sie zu. Er massierte das verkrampfte Gesicht, bis es einen entspannten, fast friedlichen Ausdruck annahm. Dann legte er die Leiche in Schlafposition und zog die Bettdecke darüber.
Ein kleiner, nagender Zweifel beschäftigte ihn immer noch, als er das Schlafzimmer verließ.
Es war der Zweifel eines Vollkommenheitsfanatikers, der auch nicht die geringste Einzelheit außer acht lassen will. Er kam gerade die Treppe herunter, als er den Leibwächter mit einem Tablett aus dem Anrichtezimmer treten sah.
Gly blieb stehen. Plötzlich fiel ihm ein, was er vergessen hatte.
Guerriers Zähne waren in zu gutem Zustand, um echt zu sein. Er hatte ein Gebiß.
Er duckte sich, bevor ihn der Leibwächter gesehen hatte, und eilte ins Schlafzimmer zurück.
Fünf Sekunden später hielt er das Gebiß in der Hand. Aber wo verwahrte es der alte Mann bis zum Morgen? Bestimmt in irgendeiner Reinigungslösung. Auf dem Nachttisch stand nur eine Uhr. Über dem Waschtisch im Badezimmer fand er eine Plastikschüssel mit einer blauen Flüssigkeit. Er hatte keine Zeit, den Inhalt zu untersuchen, und legte das Gebiß hinein.
Gly öffnete die Schlafzimmertür, als der Leibwächter gerade von der anderen Seite an die Klinke faßte.
»Oh, Monsieur Villon, ich dachte mir, Sie und der Herr Premierminister möchten vielleicht eine Tasse Tee trinken.«
Gly nickte über die Schulter der Gestalt auf dem Bett zu.
»Jules beklagte sich über Müdigkeit. Ich glaube, er ist sofort eingeschlafen, als er sich hingelegt hat.«
Der Leibwächter glaubte ihm aufs Wort. »Möchten Sie eine Tasse, bevor Sie gehen, Sir?«
Gly schloß die Tür. »Nein, danke. Ich muß jetzt fort.«
Sie gingen zusammen in die Halle hinunter. Der Leibwächter stellte das Tablett mit dem Tee ab und half Gly in den Mantel.
An der Tür blieb Gly noch einmal stehen, um ganz sicher zu sein, daß Guerriers Mann den Mercedes sah.
Er sagte gute Nacht und startete den Wagen. Das Tor öffnete sich, und er bog in die menschenleere Straße ein. Acht Häuserblocks weiter parkte er am Randstein zwischen zwei großen Villen. Er verschloß die Türen und trat die Zündschlüssel mit den Hacken in den lehmigen Boden.
Ein Mercedes, der in einem vornehmen Viertel steht, wird ganz bestimmt niemandem auffallen, sagte er sich. Bewohner dieser Art von Häusern reden nur selten mit ihren Nachbarn.
Jeder würde wahrscheinlich glauben, der Wagen gehöre Leuten, die nebenan auf Besuch sind. Hier konnte der Wagen tagelang unbemerkt stehen.
Um zehn Minuten nach zehn saß Gly in einem Bus und fuhr nach Quebec zurück. Das exotische Gift war immer noch in seiner Tasche. Eine narrensichere Mordmethode, deren sich der kommunistische Geheimdienst bediente. Kein Pathologe konnte es mit Gewißheit in einer Leiche nachweisen.
Der Entschluß, das Kissen zu benutzen, war einem plötzlichen Einfall entsprungen. Damit bestätigte sich Gly einmal wieder seine Cleverness. Die meisten Mörder folgen einer bestimmten Methode, die sie sich im Laufe ihrer Tätigkeit angeeignet haben, und sie ziehen eine bestimmte Waffe vor. Glys Methode bestand darin, daß er keine hatte. Jeder Mord wurde auf seine besondere Art ausgeführt, unterschied sich von den bisherigen. Er hinterließ keine Spuren, die in die Vergangenheit führten.
Gly fühlte sich freudig erregt. Die erste Hürde hatte er geschafft. Jetzt blieb ihm noch eine.
Die heikelste und schwierigste.
34
Danielle lag im Bett und blickte auf den Rauch ihrer Zigarette, der zur Decke aufstieg. Sie war sich nur vage des warmen kleinen Schlafzimmers in dem abgelegenen Haus außerhalb von Ottawa, der einbrechenden Dunkelheit, des kräftigen und glatten Körpers neben ihr bewußt.
Sie setzte sich hoch und schaute auf ihre Uhr. Das Zwischenspiel war vorüber, und sie bedauerte, daß es nicht ewig so weitergehen konnte. Aber die Pflicht rief, und sie war gezwungen, in die Wirklichkeit zurückzukehren.
»Mußt du schon gehen?« fragte er und räkelte sich neben ihr.
Sie nickte. »Ich muß wieder die liebevolle Ehefrau spielen und meinen Mann im Krankenhaus besuchen.«
»Ich beneide dich nicht. Krankenhäuser sind Alpträume in Weiß.«
»Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt.«
»Wie geht es Charles?«
»Die Ärzte sagen, er könne in ein paar Wochen
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