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Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod

Titel: Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ortwin;Höhn Ennigkeit
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Patienten weniger als 50 Prozent beträgt? Sollen die Opfer von Lawinenabgängen oder Erdbeben ihrem Schicksal überlassen werden, wenn kein »sicheres Wissen« gewährleistet, dass sie noch leben und bei sofortiger Rettung auch überleben würden?
    Später erfuhr ich dann, dass der Bruder dieser Juristin einer der Richter und gleichzeitig Berichterstatter der 27. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt war. Von dieser Kammer wurden wir verurteilt.
    Nachdem das Wort »Folter« das erste Mal gefallen war, gab es kein Halten mehr, es wurde – ohne es zu hinterfragen – benutzt. Der populistische und reißerische Begriff erhöhte die Auflagen, war aber absolut und absichtlich falsch gewählt.
    Nur Gäfgen und ich wussten, was tatsächlich geschehen war. Doch bei mir hatte sich niemand erkundigt, wie die Befragung, seine Preisgabe, dass Jakob tot sei und wo dessen Leiche versteckt sei, verlaufen war. Was war geschehen? Warum hatte Gäfgen jetzt, Monate nach der Tat, nach etlichen Vernehmungen, Begutachtungen, Kontakten zu Rechtsanwälten, Staatsanwälten, Richtern, Psychologen und vielen anderen plötzlich behauptet, dass er gefoltert worden wäre?
    Wer hat diese Behauptung ungeprüft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?
    Fragen über Fragen.
    Ich beschäftigte mich mit dem Thema Folter:
    »Folter« ist das Hervorrufen körperlicher oder psychischer Qualen zur Erzwingung von Geständnissen im Strafprozess – nicht der unmittelbare Zwang zur Abwehr einer akuten Lebensgefahr.
    Die Anti-Folterkonvention der UN von 1984 definiert den Begriff wie folgt: Es ist darunter eine Handlung zu verstehen, »durch die einer Person von einem Träger staatlicher Gewalt oder auf dessen Veranlassung hin vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erzwingen, sie zu bestrafen oder sie oder andere Personen einzuschüchtern.
    Nicht darunter fallen Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich in einem mit den Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen zu vereinbarenden Maß aus gesetzlich zulässigen Zwangsmaßnahmen ergeben, diesen anhaften oder als deren Nebenwirkungen auftreten.
    Die Folter ist eine verschärfte Form absichtlicher grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe.«
    Der Mainzer Rechtsprofessor Dr. Volker Erb brachte es auf den Punkt: »Mit Folter hat das nichts zu tun. Wer in diesem Zusammenhang dennoch von Folter spricht, verhöhnt die zahlreichen wirklichen Folteropfer dieser Welt.«
    Und wenn schon das Wort »Folter« missbraucht und verallgemeinernd von der Verletzung der Menschenwürde gesprochen werden soll, dann muss klargestellt werden: Jakob war es, der menschenunwürdig behandelt und grausam unter Schmerzen und in minutenlanger Todesangst umgebracht wurde. Und seine Eltern und Geschwister sind es, die unter Jakobs Tod zu leiden haben – lebenslänglich, ohne Aussicht auf Begnadigung oder vorzeitige Entlassung.
    Am 18. Februar 2003 berichtete spiegel online : »In der Untersuchungshaft hat sich der mutmaßliche Mörder auf sein erstes Staatsexamen vorbereitet.
    Das Hessische Justizministerium bestätigte, dass Magnus Gäfgen am 19. Februar 2003 im Frankfurter Oberlandesgericht seine mündliche Prüfung, Schwerpunkt Strafrecht, ablegen will. Die schriftliche Prüfung hatte er bereits vor der Tat bestanden. Im Falle einer Verurteilung sei er aber für den Staatsdienst unwürdig. Der Anwaltsberuf könnte ihm nach einem bestandenen Examen hingegen wahrscheinlich nicht auf ewig verwehrt werden.«
    Am selben Tag, zur selben Stunde sollte die gegen ihn erhobene Mordanklage bekanntgegeben werden. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Presse sollte sich auf diesen Termin beschränken, und Gäfgen sollte ungestört seine Prüfung ablegen können. Wegen der Brisanz des Falles wurde auf den üblichen Aushang im Schaukasten des Juridicum der Goethe-Universität verzichtet. Nur Gäfgens Anwalt Endres und dessen Referendarin wussten Bescheid.
    Das Polizeipräsidium Frankfurt wurde aufgefordert, den Transport durchzuführen. Daschner lehnte dies ab. »Es kann nicht Aufgabe der Polizei sein, einem dringend der Entführung und des Mordes verdächtigen Verbrecher zum Eintritt in das ›Recht‹ zu verhelfen, das er selbst in gewissenloser Weise missbraucht und gebrochen hat.« Die Prüfung wurde daraufhin in das Weiterstädter Untersuchungsgefängnis verlegt; sie

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