Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod
der sofort suspendiert und in Untersuchungshaft gehöre. Im nächsten Bericht von Amnesty International könne zu lesen sein, in Deutschland würden Personen in Behördengewahrsam gefoltert. Gemeinsam mit seinem Anwalt, bekannt als Mann für schwierigste Fälle, hat der Jurastudent eine Strategie ausgetüftelt, mit der er, der mit hoher Wahrscheinlichkeit der grausamen Tat überführt werden wird, trotzdem noch einigermaßen gut wegkommen könnte: Der vermutliche Täter wird jetzt zum Opfer stilisiert.«
spiegel online berichtete: »Anwalt bezeichnet Polizisten als Verbrecher.« Endres hatte erklärt: »Er ist völlig durchgedreht, Daschner hat dieser Republik schwersten Schaden zugefügt.« ( Süddeutsche Zeitung , 24.02.2003)
Die Frankfurter Polizei habe bei der Vernehmung seines Mandanten »unerträgliche Foltermethoden« angewandt ( F.A.Z. , 19.02.2003).
Im Gegensatz zu den verbrecherischen Polizisten sei sein Mandant ein Mann, »mit dem Sie Ihre Tochter gerne auf den Opernball gehen lassen würden. Wenn Sie diesem jungen Mann begegnet wären, das wäre sozusagen der ideale Schwiegersohn. Mutter Kindergärtnerin, Vater Beamter, der Bruder ein Lehrer im sozialen Bereich, höchst bürgerliche Eltern, erlauben dem Sohn zu studieren. Er macht dieses Studium sozusagen nicht mit links, aber er studiert halt besser als viele andere. Er engagiert sich in christlichen Bereichen, führt Jugendgruppen, also alles wo man denkt: Das ist wie aus dem Bilderbuch.« (ZDF-Dokumentation »Der Mordfall Jakob von Metzler – Ein Verbrechen und seine Folgen«, 26.07.2006)
Er habe 60 Tötungsdelikte vertreten, so Endres: »Trotzdem ist dieser Fall natürlich ein ganz besonderer. In meinen 30 Jahren als Rechtsanwalt habe ich noch nie eine solche Diskrepanz zwischen der Tat und der Persönlichkeit des mutmaßlichen Täters erlebt. Ich kann gar nicht oft genug sagen: Magnus G. wirkt wirklich wie der gute Nachbar von nebenan. Er passt einfach nicht in das Setzbild, das sich einem bei einem solchen Verbrechen aufdrängt. Mord, Gewalt – daran denkt man nicht bei diesem jungen Mann.« ( Bild , 24.02.2003)
Die Diskrepanz zwischen der Tat und der Person von Gäfgen sei eklatant: »Ich kann’s einfach nicht begreifen, wie er diese Tat begangen haben kann. Magnus G. ist der typische ›nette Junge von nebenan‹. Etwas anderes kann man nicht sagen. Zumal er in jeder Hinsicht dem Begriff ›gut bürgerlich‹ entspricht.« ( Bild , 18.02.2003)
Ich konnte fast nicht mehr ertragen, was geschrieben wurde.
Was ist das für ein Anwalt, der einem eiskalten Kindsmörder den Heiligenschein aufsetzt und die Menschen, die dessen Opfer vor einem qualvollen Tod hatten bewahren wollen, in übelster Form öffentlich angreift und verleumdet? Und immer noch hatte mich niemand gefragt, was wirklich passiert war.
Wir Polizisten kämpfen Tag für Tag, um Menschen zu beschützen und Verbrecher zu fangen. Das ist oft harte und gefährliche Arbeit. Dann kommt ein Anwalt namens Endres, der sich sogar im Fernsehen damit gebrüstet haben soll, er habe schon Mörder freibekommen, von denen er genau wusste, dass sie schuldig waren ( Bild zu Wächter-Preis). Eine Ohrfeige für uns, eine Verhöhnung unserer Arbeit.
Die Rolle des smarten Studenten war mit der Festnahme zerbrochen. Heute ist er fixiert auf die Unvereinbarkeit der Tat mit seinem Selbstbild als dem lieben, netten jungen Mann. Er wurde bestärkt in dem Gedanken, die Tat passe gar nicht zu ihm. Dies hat er begierig aufgenommen. So ist ihm die Erkenntnis kaum noch möglich, doch nicht so nett zu sein. Der Weg einer schrittweisen inneren Selbstkorrumpierung bleibt dadurch im Dunkeln. Prognostisch ist es ungünstig, wenn auch die Tataufarbeitung nur mit einer Maske geschieht.
(Psychiatrischer Sachverständiger Prof. Dr. Norbert Leygraf vor dem Frankfurter Landgericht im Juni 2003)
Mit dem Mord an Jakob von Metzler hat der Angeklagte drei Mordmerkmale erfüllt: Habgier, Heimtücke und Verdeckungsabsicht. Alle drei Merkmale sind symptomatisch für den Angeklagten; alle drei bestätigen – auf unterschiedliche Weise – seine Maske und demaskieren ihn zugleich: Seine freundliche Zurückhaltung wird zur Heimtücke, seine Hilfsbereitschaft zur gewalttätigen Entschlossenheit. Mit seinen Lügengeschichten vom erfolgreichen Junganwalt verbirgt er nur mä ß ig seine Habgier …
Die Verteidigung hat schon vor dieser Hauptverhandlung ihr Ziel verkündet. Sie hat es als das gro ß e Rätsel bezeichnet, wie die
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