Um Leben und Tod - Ennigkeit, O: Um Leben und Tod
er mich beauftragt, Gäfgen darauf hinzuweisen, dass sich die Behördenleitung mit seinem Schweigen und seinen Lügenmärchen nicht zufriedengeben könne, sie könne nicht sehenden Auges zulassen, dass ein elfjähriges Kind qualvoll zugrunde gehe. Er müsse damit rechnen, dass gegen ihn unmittelbarer Zwang angewendet werde. Von einem Jurastudenten im 13. Semester sei zu erwarten gewesen, dass er die Pflicht der Polizei zur Gefahrenabwehr kenne und dass ihm auch der in allen Polizeigesetzen klar definierte Begriff »unmittelbarer Zwang« bekannt sei. Diese Anordnung sei nach der damals zutreffenden Bewertung das einzige noch zur Verfügung stehende Mittel gewesen, Jakobs Leben in letzter Minute zu retten.
»Um weiteren Spekulationen, insbesondere in den Medien, vorzubeugen«, wies Daschner darauf hin, dass er weder mit dem damaligen Innenminister Bouffier, der sich zur Tatzeit im Urlaub befunden habe, noch mit Staatssekretär Corts persönlich gesprochen habe. Nedela habe ihm Monate später ungefragt mitgeteilt, dass er Corts lediglich in groben Zügen informiert habe, ohne diese Aussage zu konkretisieren.
Wie das Gericht in dem Schadenersatzprozess entscheiden wird, hängt von den vielen »Spielregeln« ab, die es in diesem Bereich gibt. Kausalität? Ich kann mir vorstellen, dass Gäfgen anderen nachher gesagt hat, er habe Angst vor mir. Ich habe ihm ja auch Angst gemacht mit seinen eigenen Problemen. Hätte er Jakob nicht eigenhändig hinterlistig und auf brutalste Art und Weise umgebracht, wären meine eindringlichen Fragen und die Bilder, die ich in seinem Kopf erzeugen wollte, ins Leere gelaufen und hätten ihn nie in irgendeiner Weise belasten können.
»Der Rechtsstaat muss viel aushalten und er hält viel aus, sogar, dass ihn einer wie Gäfgen in einer Weise herausfordert, die Unfrieden sät, die das Vertrauen der Bürger in die Justiz erschüttern könnte«, schrieb Reinhard Breidenbach im Wiesbadener Tagblatt vom 18.03.2011. »Magnus Gäfgen, nach Erkenntnissen von Richtern und Sachverständigen böse, selbstsüchtig, egomanisch, geht mit dem Rechtsstaat in einer Weise um, die – menschlich betrachtet – als unverschämt, fast als grotesk zu bezeichnen ist.«
»Die Familie von Metzler verfolgt ›das alles mit fassungslosem Staunen‹, sagte ein Freund der Familie, der alle Bitten um Stellungnahmen höflich, aber entschieden zurückweist.« (Henryk M. Broder, Welt am Sonntag , 20.03.2011)
Meine Dokumentation des Mordes an Jakob und der daraus resultierenden Konsequenzen muss hier enden. Wer weiß, wie lange es noch dauert, bis über alle von Gäfgen angestrebten Klagen und Verfahren endgültig entschieden ist. Immer wieder stellt er sich in den Mittelpunkt, sein Opfer soll in Vergessenheit geraten. Ich wünsche mir, dass Jakob in der Erinnerung der Menschen weiterlebt, nicht sein Mörder.
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