Um Leben Und Tod
verantwortliche Personen sogar Gewalt anzuwenden. Brugger, so konnte ich in Erfahrung bringen, hatte Rechtswissenschaften, Soziologie und Philosophie studiert und schlieÃlich mit »summa cum laude« zum Dr. jur. promoviert ; inzwischen ist er leider verstorben.
Durch seine Ausführungen wurde mir klar, dass sich mit diesem Thema hochqualifizierte Personen beschäftigt hatten und zumindest Prof. Brugger zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen war wie ich. Ungefähr zwei Wochen später, nachdem er wieder aus dem Urlaub zurück war, sprach Jürgen P. mich noch einmal auf den »Auftrag von Daschner« an. Ich vermied ein Gespräch, gab ihm stattdessen die Kopie eines Aufsatzes von Brugger. Mit keinem Wort erwähnte er, dass er Probleme mit Daschners angedachter Notlösung hatte.
Nach dem Ende der Herbstferien eröffnete die Carl-Schurz-Schule den Unterricht mit einer Trauerfeier für Jakob. Tausend Schüler, Eltern, Lehrer und die Familie von Metzler gedachten Jakobs.
Vor der Schule wurde ein Gedenkstein gesetzt. Daneben pflanzten Lehrer und Schüler einen Baum für Jakob.
»Wo ich auch nach Dir frage, findâ ich von Dir Bericht. Du lebst in meiner Klage und stirbst im Herzen nicht. Du wirst immer unser Freund bleiben.«
Der Oktober 2002 war von weiteren Tragödien überschattet. Am 12. Oktober wurde auf Bali ein Attentat verübt. Unter den 190 Toten waren viele Touristen. Am 23. Oktober nahm der tschetschenische Guerillaführer Besarev mit 41 Rebellen, darunter vielen Frauen, im Moskauer Theater Dubrovka mehr als 850 Geiseln. Drei Tage später pumpten Spezialeinheiten des russischen Inlandsgeheimdienstes eine Chemikalie in das Ventilationssystem des Theaters und stürmten kurz darauf das Gebäude. Die betäubten Terroristen wurden durch Kopfschüsse getötet, 129 Geiseln starben an Vergiftungen durch das eingeleitete Gas.
Diese schrecklichen Ereignisse bedrückten alle Personen, mit denen ich darüber sprach, mich eingeschlossen. Jeder von uns, Angehörige und Freunde, kann überall auf der Welt in terroristische Gewalttaten involviert werden. Zufällig. Sie waren nicht vorhersehbar, aber es war absehbar, dass es nicht die letzten sein würden. Oder sie konnten â wie Jakob â in die Hand eines Verbrechers fallen.
Ich fühlte mich öfter deprimiert, hatte keine Lust mehr, etwas zu unternehmen, funktionierte einfach nur. Und wollte vergessen. Nur meine Töchter brachten es fertig, dass ich mich manchmal etwas besser fühlte. Sie gaben mir vorübergehend Kraft und Freude. Ich hatte beides sehr nötig.
Sylvia und ich danken allen hessischen Polizistinnen und Polizisten für den unermüdlichen Einsatz, Jakob zu retten. Wir haben erfahren, welche Berufung Sie in Ihrem Beruf finden, Menschen im Unglück zu helfen, Unglück abzuwehren. Als am Montagabend unsere Hoffnung schwand, weil Jakob den mutmaÃlichen Täter kannte, gab es bei Ihnen allen kein Zögern, bis zum letzten Moment zu hoffen und alles zur Rettung zu tun. Wir haben groÃartige menschliche Persönlichkeiten kennengelernt, und es ist der gröÃte Trost, dass Sie alles für die Rettung eingesetzt haben.
Mit groÃem Dank
Ihre Sylvia und Friedrich von Metzler
Magnus Gäfgen wurde am 5., 9., 13., 15. und 16. November 2002 durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. med. Leygraf vom Institut für forensische Psychiatrie der Universität Essen und den Diplom-Psychologen Klaus Elsner untersucht. »Es ergeben sich aus psychiatrischer und psychologischer Sicht keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung oder gar Aufhebung der strafrechtlichen Schuldfähigkeit«, lautete das Ende ihrer seitenlangen schriftlichen Beurteilung, die im Januar am Landgericht Frankfurt am Main eintraf. Mit keinem Wort hatte Gäfgen während der Untersuchungen die Ankündigung unmittelbaren Zwanges auch nur angedeutet.
Gäfgen hatte dazu lediglich ausgesagt:
»Er habe gewusst, die Ruhe bekomme er nur, wenn er zum einen die Namen von Mittätern und zum anderen den Aufenthaltsort des Jakob nenne. Am anderen Morgen habe er dann gesagt, man brauche nicht mehr weiter zu suchen. Er habe den Beamten dann den Ort gezeigt, wo der Junge gelegen habe â¦Â«
Gäfgen war seit seiner Festnahme viele Male durch Kriminalbeamte, Staatsanwälte und den Haftrichter vernommen worden, überwiegend in Anwesenheit eines
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