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Um Leben Und Tod

Um Leben Und Tod

Titel: Um Leben Und Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Hoehn , Ortwin Ennigkeit
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zu machen …
    Frage: Auf die Idee, nach dem Tod des Kindes aufzuhören, sind Sie nicht gekommen?
    Antwort: Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob ich darüber nachgedacht habe. Ich habe mich nach den Ereignissen in der Wohnung nur noch stur an meinen Plan gehalten.
    Nachdem Oberstaatsanwalt Schilling am 1. Oktober 2002 von Daschner über die Umstände der Gäfgen-Aussage informiert worden war, fertigte er mit Datum vom 9. Oktober 2002 einen eigenen Aktenvermerk an:
    Vor Beginn der am Nachmittag des 01.10.2002 angesetzten gemeinsamen Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft und der Polizei in dem Entführungsfall von Metzler hatte ich mit dem Pressesprecher der Polizei, Herrn Öhm, und dem Polizeivizepräsidenten, Herrn Daschner, in dessen Dienstzimmer ein vorbereitendes Gespräch. Im Verlaufe dieses Gespräches fragte mich Herr Daschner, ob ich wisse, wie es zu den Angaben des Beschuldigten, wo er Jakob von Metzler versteckt habe, gekommen sei. Zum Zeitpunkt dieser Frage lag ein Hinweis über den späteren Leichenfundort vor, dem bereits nachgegangen wurde. Der Tod Jakob von Metzlers war zum Zeitpunkt des Gespräches noch nicht bestätigt. Ich habe Herrn Daschner geantwortet, dass ich nicht wisse, wie es zu diesen Angaben des Beschuldigten gekommen sei.
    Daraufhin teilte mir Herr Daschner mit, er, Daschner – insoweit bin ich mir ziemlich sicher, dass er von sich gesprochen hat – habe dem Beschuldigten gesagt, wenn er weiterhin keine entsprechenden Angaben mache, werde unmittelbarer Zwang angewandt. Wann dieses Gespräch stattgefunden haben soll, wurde meiner Erinnerung nach nicht erwähnt. Ich habe dann nachgefragt, was mit der Anwendung unmittelbaren Zwanges gemeint gewesen sei. Herr Daschner antwortete, dem Beschuldigten sei gesagt worden, man werde ihm dann Schmerzen zufügen. Ich habe Herrn Daschner gesagt, dass ich allergrößte Bedenken wegen dieser Vorgehensweise hätte. Herr Daschner war allerdings der Ansicht, er sei nach dem Polizeirecht zu diesem Vorgehen berechtigt gewesen, und auch nach dem Strafrecht sei hiergegen nichts einzuwenden. Eine weitergehende Erörterung des Themas zu diesem Zeitpunkt war nicht möglich, da ich mich mit Herrn Öhm dringend zu der in der Gutleutstraße angesetzten Pressekonferenz fahren lassen musste.
    Von dem hier geschilderten Sachverhalt habe ich Herrn LOStA Harth noch am 01.10.2002 nachmittags persönlich unterrichtet.
    Im Hause wissen von diesem Geschehen noch die Staatsanwälte Koch und Möllers. Beide haben sich zur absoluten Geheimhaltung verpflichtet.
    Wegen der außergewöhnlich starken Beanspruchung seit dem 01.10.2002 in diesem Verfahren als Pressesprecher und zuständiger Abteilungsleiter hatte ich erst heute Gelegenheit, diesen Vermerk anzufertigen.
    Niemand hatte mit mir gesprochen. Nicht einmal Wolfgang Daschner wollte wissen, was genau ich Gäfgen gesagt hatte. Offensichtlich hatte den Vizepräsidenten der polizeiliche Alltag eingeholt: Neben seiner eigentlichen Aufgabe hatte er den gesundheitlich angeschlagenen Behördenleiter zu vertreten, war verantwortlich für die Fertigstellung des Neubaus und musste darüber hinaus den ordnungsgemäßen Umzug von mehr als 2300 Beschäftigten aus 17 Liegenschaften Anfang November 2002 sicherstellen.
    Ich machte mir Gedanken, wie ich reagieren sollte, wenn Gäfgen erzählte, dass ich ihm gesagt hatte, was seitens Daschners angedacht gewesen war. Meine Anweisung hatte gelautet, ihn darauf vorzubereiten. Nichts anderes hatte ich getan. Sollte ich leugnen? Nein, ich war mir sicher, dass Wolfgang Daschner zu dem stand, was er angeordnet hatte.
    Am 14. und 17. Oktober 2002 hatte Gäfgen in Vernehmungen der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt am Main in Anwesenheit seines Verteidigers Dr. Endres endlich zwei umfangreiche Geständnisse abgelegt. Mit keinem Wort erwähnten Gäfgen oder sein Anwalt, dass ich ihm den von der Behördenleitung angedachten unmittelbaren Zwang angekündigt hatte.
    Ich hatte mich zwischenzeitlich mit der Problematik beschäftigt und fand Aufsätze und Stellungnahmen des Rechtsprofessors Dr. Winfried Brugger. Er vertritt seit 1995 die Ansicht, dass auch der grundgesetzlich (Art. 1 GG) garantierte Anspruch auf Achtung der Menschenwürde einer Abwägung fähig und bedürftig sei, und dass es in bestimmten Gefahrensituationen gerechtfertigt sein könne, gegen polizeirechtlich

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