Um Leben Und Tod
Menschenwürde des anderen durchsetzen â¦Â«
So war es. Hätten wir Gäfgen die absolute Respektierung seiner Menschenwürde zugestanden, hätten wir damit Jakobs Todesurteil gefällt und seine Menschenwürde mit FüÃen getreten.
»⦠Die umstrittene polizeiliche MaÃnahme sehe ich in der konkreten Situation vielmehr als ermessensfehlerfreie Tätigkeit im Rahmen der Amtspflicht zur Erfüllung der verfassungsrechtlich gebotenen staatlichen Schutzpflicht für Leben und damit Menschenwürde des entführten Opfers«, beendet Kissel sein Essay.
»Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt«, steht in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes. Unsere Frankfurter Richter sahen nur die eine Hälfte dieser Verpflichtung: »Die Achtung der Menschenwürde ist die Grundlage dieses Rechtsstaates.« Es folgte ein weitschweifiger Exkurs über die deutsche Vergangenheit und die »Gräueltaten« zur Zeit des Nationalsozialismus â also ein doppeltes »politisches« Urteil? Zum einen die Bestrafung für die historische Belastung unserer nationalsozialistischen Vergangenheit, zum anderen, um aller Welt zu zeigen, dass in Deutschland nicht »gefoltert« werden darf.
Zu der anderen Hälfte der staatlichen Verpflichtung, nämlich zum Schutz der Menschenwürde des Opfers, enthält das Urteil kein einziges Wort!
Ob die Menschenwürde verletzt sein kann, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von den jeweiligen Umständen ab. Offenbar lässt sich das nicht generell sagen, sondern immer nur in Ansehung des konkreten Falles:
»Allgemeine Formeln wie die, der Mensch dürfe nicht zum bloÃen Objekt der Staatsgewalt herabgewürdigt werden, können lediglich die Richtung andeuten, in der Fälle der Verletzung der Menschenwürde gefunden werden können. Der Mensch ist nicht selten bloÃes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, insofern er ohne Rücksicht auf seine Interessen sich fügen muÃ. Eine Verletzung der Menschenwürde kann darin allein nicht gefunden werden. Hinzukommen muÃ, daà er einer Behandlung ausgesetzt wird, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt oder daà in der Behandlung im konkreten Fall eine willkürliche Missachtung der Würde des Menschen liegt. Die Behandlung des Menschen durch die öffentliche Hand, die das Gesetz vollzieht, muà also, wenn sie die Menschenwürde berühren soll, Ausdruck der Verachtung des Wertes, der dem Menschen kraft seines Personseins zukommt, also in diesem Sinne eine âºverächtliche Behandlungâ¹ sein« (BVerfG, Urt. v. 15.12.1970, NJW 1971, 279).
Wird die Menschenwürde eines Verbrechers tatsächlich »missachtet«, wenn er gezwungen wird, die von ihm angestrebte Ermordung eines unschuldigen Kindes zu unterlassen? Kann es Bestandteil der Menschenwürde dieses Verbrechers sein, diesen Mord ungestört von staatlicher (polizeilicher) Intervention vollenden zu dürfen?
Nach unserem Urteil war ich froh, dass alles vorbei war. Doch mittlerweile denke ich, dass es besser gewesen wäre, wenn wir eine höchstrichterliche Entscheidung eingeholt hätten, weil sie möglicherweise anders ausgesehen und Polizeikollegen bei neuen Fällen von Entführungen und Geiselnahmen Rechtssicherheit gebracht hätte. Das Recht kann doch den Opfern gegenüber nicht blind sein und ihnen die Menschenwürde absprechen!
Garantiert der Staat nicht den Schutz des Bürgers?
Die elementare Schutzpflicht des Staates für das Leben und die Sicherheit seiner Bürger hat eine lange Tradition. Der Staat wurde im Laufe der Geschichte verpflichtet, aktiv für den Schutz seiner Bürger einzutreten. Der Bürger musste dafür Gewaltverzicht einräumen. Da aber der Bürger nicht rechtlos gestellt werden konnte gegenüber denjenigen, die gegen ihren eigenen Gewaltverzicht verstoÃen, muss der Staat ihm zur Seite stehen.
Es ist Aufgabe des demokratischen Rechtsstaates, keine rechtsfreien Räume entstehen zu lassen. Auch die Hessische Landesregierung hat diese staatliche Schutzpflicht ausdrücklich bestätigt: »Der moderne Rechtsstaat beansprucht das Gewaltmonopol in der Gesellschaft und garantiert im Gegenzug den Schutz des Bürgers« (Landtags-Drucksache
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