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Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Titel: Um Mitternacht am schwarzen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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und lief ein paar
Schritte an den Büschen zurück: bis zu der sandigen Forststraße, die hier
abzweigte und sicherlich zum Schwarzen Fluß führte.
    Die Richtung stimmte. Wenn sie noch ein
Stück durch den Wald marschierte, konnte sie den Rückweg erheblich verkürzen.
Vielleicht war es ratsam, dem Fluß zu folgen.
    Sie hörte, wie Dietlinde Eckert abfuhr,
drehte sich aber nicht um. Flott schritt sie zwischen den Bäumen dem Fluß zu.
    Die Straße war mit Gras bewachsen. Die
Halme standen hoch. Die Bäume zu beiden Seiten streckten ihre Zweige aus. Sie
berührten sich fast. Häufig wurde diese Forststraße sicherlich nicht benutzt.
Aber vor kurzem war hier ein schweres Fahrzeug gerollt. Es hatte Halme
niedergedrückt und Zweige geknickt.
    Nach einer Weile spürte sie die Stille
ringsum.
    Kein Wind regte sich. Nur ab und zu der
Ruf eines Vogels irgendwo unter den Bäumen.
    Plötzlich fühlte sie Angst.
    War das nicht dumm, hier allein durch
den Wald zu laufen — als junges Mädchen, schutzlos und dem Gesindel
preisgegeben, das sich immer häufiger aus der Großstadt in die Umgebung verzog,
wovor die Zeitungen die Wanderer und Pilzsucher warnten? Gerade kürzlich hatten
sich räuberische Überfälle ereignet.
    Unsinn! dachte sie. Das sind Märchen.
Die Zeitungen spielen das hoch, damit daraus Sensationen werden. Bis zum
Seehotel kann es nicht so weit sein. Oder — hätte ich mich doch lieber von der
Eckert zurückbringen lassen?
    Vor ihr rückten die Bäume zusammen. Die
Straße verengte sich. Hier hatte das schwere Fahrzeug besonders viele Zweige
geknickt. Die Bruchstellen waren frisch. Das Holz schimmerte hell.
    Dann öffnete sich vor Tanja eine
Lichtung. Nachmittagssonne vergoldete die Luft. Träge wälzte sich der Schwarze
Fluß vorbei. Und an seinem Ufer stand die — Mordmühle.
    Tanja war noch nie hier gewesen. Aber
sie kannte die Geschichten um diesen verrufenen Ort.
    Neugierig ging sie näher.
    Nach verseuchtem Boden sah die Gegend
nicht aus. Die Pflanzen gediehen prächtig. Und auf den Ästen einer mächtigen
Eiche, die am Rande der Lichtung stand, war Rabatz.
    Mehrere Vögel saßen dort und
veranstalteten höllischen Lärm. Dabei hatten alle ihre gefiederten Köpfe in
eine Richtung gedreht — nämlich zu einer höher gelegenen Astgabel, an der sich
wilder Wein entlang rankte.
    Tanja trat näher. Biologie war ihr
Lieblingsfach. Deshalb checkte sie auch gleich, was dort los war.
    Mehrere Buchfinken, Kohlmeisen und ein
Eichelhäher versuchten, einen schlafenden Waldkauz zu vertreiben. Mit Lärm.
    Der Nachträuber saß in der Astgabel und
träumte offenbar von fetter Beute wie Waldmäusen und Maulwürfen. Von dem Radau
ließ er sich nicht stören. Vielleicht hatte er sich die Ohren verstopft und
eine Schlaftablette geschluckt.
    Toll — das zu sehen!
    Sie mußte buchstäblich durchs Gras
waten, um die Mühle zu erreichen.
    Daß sie hineinsah, war
selbstverständlich. Die Tür stand einladend offen. Ob die Einrichtung noch
erhalten war?
    Ein Steg führte zum Eingang.
    Tanja zögerte. Der Steg sah wacklig
aus. Aber dann ging sie hinüber, ließ eine Hand über das Geländer gleiten und
spürte, wie das Holz die Sonne gespeichert hatte.
    Die Tür war niedrig — das Innere
schattig.
    Auf der Schwelle verharrte sie. Der
Schreck fuhr ihr in die Knie.
    Da war ja wer! Ein Mann. Ein großer
Kerl mit dunklen Locken. Von hinten — denn er wandte ihr den Rücken zu — wirkte
er wie ein Italiener.
    Er stand zwischen olivgrünen
Holzkisten, die paarweise aufeinander gestapelt waren.
    Von einer hatte er den Deckel gelöst
und...
    Tanjas Herz begann zu hämmern.
    Auf dem Deckel lagen Schußwaffen:
Pistolen, Revolver. Und Munition. Das Metall der Waffen war dunkel. Aber es
schimmerte. Die Messinghülsen der Patronen glänzten wie poliert.
    Um Himmels willen! Sie begann zu
zittern. War das ein Waffenlager von Terroristen — von Staatsfeinden, die sich
— wie die räuberischen Ganoven — aus der Stadt in die Wälder absetzten?
    So was mußte es sein.
    Aber noch hatte sie der Mann nicht
bemerkt.
    Sie hob einen Fuß, setzte ihn hinter
sich, schob sich rückwärtsgehend über den Steg.
    Fast hatte sie ihn überwunden, als das
Gezeter der Vögel von anderem Lärm übertönt wurde.
    Ein Wagen näherte sich über die
Forststraße. In diesem Moment hielt er vorn an der Lichtung.
    Der Dunkelhaarige in der Mühle drehte
sich um.
    Tanja starrte ihn an.
    Er hatte tiefliegende Augen. Grinste
er? Für einen Moment schien er

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