Um Mitternacht am schwarzen Fluß
nervt den Dr. Geidmann — nur um
sich spätnachmittags hier am Grillgut zu laben.“
„Ist kein Argument“, schmetterte Gaby
ihn ab. „Jan ruft bei Dr. Geidmann an und läßt Tanja ausrichten, daß hier heute
nichts bruzzelt.“
„Eigentlich sollte es
selbstverständlich sein“, pflichtete Tim bei, „daß wir so handeln. Schließlich
haben wir noch allerhand auf der Pfanne! Der Kamikaze-Fahrer von der
Kambärt-Spedition muß ermittelt werden. Nur um Haaresbreite seid ihr einem
Unfall mit schwerstem Personenschaden entgangen. Der Sachschaden liegt vor. Auf
dem Rückweg nehmen wir den Blechkuchen mit, der mal Tanjas Tretmühle war. Das
hat Beweiskraft.“ Damit war alles klar.
Klößchen machte keinen weiteren
Einwand. Aber er war erbleicht bis tief unter die Haut. Selbst die geohrfeigten
Backen zeigten kaum noch das Klatschmohn-Rot.
„Während ich telefoniere“, erbarmte
sich Jan, „läßt du dir in der Küche ein Brot machen.“
„Habt ihr keine Schokolade?“
„Doch.“
„Die ist mir lieber. Aber das Brot
nehme ich außerdem.“ Alle setzten sich in Bewegung, sohlten zum Portal, während
sich Oskar mit kräftigem Niesen von der letzten Waldameise befreite. In den
schwarzen Locken des rechten Schlappohrs hatte sie sich versteckt und war jetzt
zur Nase gewandert.
Tim hörte einen Wagen, der hinter der
Hausecke hielt. Der Motor klang nach einem VW-Golf.
Vielleicht, dachte er, beschädigt der
Fahrer beim Türöffnen den Porsche. Das wäre ein Fest!
Sie gingen ins Seehotel.
Jan nahm Klößchen in die Küche mit.
Die andern warteten in der behaglichen
Hotelhalle.
Gaby ließ sich in einen Sessel nieder
und schlug die Beine übereinander.
Oskar bettete sich ihr zu Füßen, als
wäre er in Hotelhallen aufgewachsen.
Niemand war am Empfang. Aber die Tür
zum angrenzenden Büro stand offen; und sie hörten, wie Jans Onkel, Herr Drebelt,
telefonierte.
Ein Typ kam herein.
Kein Gast, urteilte Tim. Wahrscheinlich
der Bierlieferant. Oder er bringt 5000 Liter Heizöl.
Es war ein stabiler Mensch, am Rande
von vollschlank, mit rosigem Gesicht und plumpen Bewegungen. In seiner
Borstenfrisur hingen ein paar Tannennadeln.
Er sah sich um. Sein Blick glitt über
Gaby und Oskar. Stirnrunzeln. Dann sah er Karl an und begann heftig zu
zwinkern. Offensichtlich löste der Anblick der drei Nervosität aus.
Stünde jetzt draußen ein
Kambärt-Lastzug, dachte Tim, würde ich den Typ für den Wahnsinns-Fahrer halten.
Erkennt er Gaby und Karl? Oder weshalb wird er so zappelig?
Er hatte weder gegrüßt noch genickt.
Zwischen der Sesselgruppe, die von
ihnen eingenommen wurde, und der Rezeption blieb er stehen.
„Ist hier keiner?“ fragte er rauh.
„Sind wir niemand?“ fragte Tim.
„Was? Ich meine doch...“
Sein verhornter Daumen wies zur
Rezeption.
In diesem Moment kam Jans Onkel aus dem
Büro, und Borstenkopf wandte sich ihm zu.
„Tag. Ich will zu Herrn Muhson. Ist er
hier?“
„Ich glaube, die Herrschaften befinden
sich auf ihrem Zimmer. Augenblick!“
Er griff zum Hörer. Dann fragte er den
Borstenkopf nach dem werten Namen.
„Tut nichts zur Sache. Sagen Sie dem
Chef nur, der Fahrer ist da, und es ist wichtig.“
Drebelt erledigte das, legte auf und
teilte mit, Herr Muhson komme herunter.
Werdy ließ den Mund etwas offen,
schielte zu Gaby und Oskar und hatte es versäumt, sich bei Drebelt zu bedanken.
Indem er die Hände auf dem Rücken
zusammenlegte, schob Werdy ab in Richtung Treppe.
Jan und Klößchen kamen aus der Küche.
Klößchens Gesicht hatte wieder Farbe. Er kaute. In einer Hand hielt er ein
umfangreiches Paket. Es war gehüllt in Silberpapier. Offenbar hatte es der
Küchenmeister gut mit ihm gemeint.
Jan grinste und lief gleich ins Büro,
wo er — wie sie hörten — die Arztpraxis anrief und Fräulein Tanja Leihmeier,
die offenbar noch nicht eingetroffen war, ausrichten ließ, daß das Seehotel-Grillfest
verschoben werde. Er bat um Tanjas Rückruf.
Mit einem Ohr hörte Tim hin. Seine
Aufmerksamkeit war auf Werdy gerichtet.
Der fühlte sich unbehaglich und wußte
nicht, wo er die Hände lassen sollte. Inzwischen hatte er alle Posen
durchprobiert, seine Vorderhufe in die Taschen geschoben, aufs Geländer gestützt,
vor der Brust verschränkt. Jetzt legte er sie wieder hinter sich zusammen und
blickte die Treppe hinauf.
Muhson eilte die teppichbelegten Stufen
herab.
Beim Anblick der Jugendlichen stutzte
er.
„Hallo!“ Das galt Werdy und klang nicht
wie ein Freudenschrei.
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