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Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Um Mitternacht am schwarzen Fluß

Titel: Um Mitternacht am schwarzen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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jetzt werden sie hoppgenommen.“
    „Und um das zu verhindern, entführen
sie Tanja. Aber wie — mitten in der Turmacker-Straße, wo Fußgänger wandelten
und die Bauarbeiter auf den Feierabend warteten? Einige hatten vielleicht noch
die Schaufel in der Hand, aber die meisten nur die Bierflasche. Sie können
Tanjas Hilfeschreie nicht überhört haben. Und geschrien hat sie bestimmt.“
    Klößchens Einwand ärgerte Tim.
    „Ich war nicht dabei“, meinte er. „Aber
unmöglich ist es nicht. Vielleicht haben sie Tanja im Treppenhaus überwältigt.
Oder hinter der Garage. Oder sie ein Stück weggelockt unter einem Vorwand. Oder
die Straße war gerade mal unbelebt. Mitten in einer Riesenstadt zu sein, heißt
ja nicht, daß für alles Zeugen da sind. Ich gebe zu: Es wäre, als würde man mit
Atombomben Flöhe vertreiben. Will sagen: Um die Unfallflucht zu vertuschen,
begehen die beiden ein viel schlimmeres Verbrechen. Aber weiß man, was in den
Hirnen von Käsefahrern abläuft? Vielleicht hatten sie Kurzschluß. Und dann, als
der Blick aufklarte, war die Sache passiert, und die Reue kam zu spät. Was
schlußfolgerst du aus meiner Erkenntnis?“
    „Ich? Nichts.“
    „Wir dürfen nicht lockerlassen. Werdy
und Riscanto müssen gefunden werden.“
    „Völlig klar.“
    Tim sah auf die Uhr.
    „Da wir bereits unterwegs sind, Willi,
können wir die Adressen gleich noch mal abklappern. Einer der beiden wird wohl
inzwischen zu Hause sein. Hast du Münzgeld?“
    Klößchen nickte. „Etwa 3,90 DM. Wozu?“
    „Damit wir eine Telefonzelle benutzen
und Gaby anrufen können. So, und jetzt los!“

16. Vino antigelo
     
    Es war Nacht geworden.
    Mitten im Wald hatte das eine andere
Bedeutung als in der Stadt oder in der Geborgenheit des Elternhauses.
    Wegen der Augenbinde sah Tanja die
Dunkelheit nicht. Aber sie spürte sie. Außerdem hatte sich die Luft abgekühlt.
Jeder Hauch, der durch die Tür der Wassermühle hereindrang, ließ sie frösteln.
    Auch die Geräusche des Waldes hatten
sich verändert.
    Der Schwarze Fluß, den sie am Tag nicht
gehört hatte — jetzt vernahm sie sein Flüstern. Unter den ausgehöhlten Ufern
stieß plätschernd das Wasser an. Ab und zu sprang ein Fisch — sicherlich eine
Bachforelle — und fiel klatschend zurück.
    Unter den Bäumen ging’s zu.
    Tanja wußte Bescheid. Nicht umsonst war
Biologie ihr Lieblingsfach. Ihre Phantasie malte Bilder aus, die sie sich sonst
nie vorgestellt hatte.
    Der flatternde Flügelschlag! War die
Schleiereule jetzt auf nächtlicher Jagd? Von Mäusen und Spitzmäusen - ihren
Beutetieren — mußte der Waldboden wimmeln.
    Von den Fledermäusen — besonders der
Langohrfledermaus und der Hufeisennase — hörte man selbstverständlich nichts.
Aber sie waren ganz bestimmt da, sausten im Zickzack über den Fluß und durch
die Bäume — und benutzten ihre Echopeilung, wobei sie Ultraschallwellen
aussenden und ihre Beute orten mit Hilfe der zurückgeworfenen Töne.
    Tanja zuckte zusammen. Ein Tier rieb
sich draußen an der Holzwand, direkt hinter ihrem Rücken.
    Ein Dachs, der seinen unterirdischen
Bau verlassen hatte? Meist in der Dämmerung kommt er hervor, frißt dann alles,
was er findet: Mäuse, Beeren, Käfer.
    Oder war ein Igel auf Futtersuche,
wühlte jetzt nach Würmern und Schnecken im Laub?
    Sie spürte Angst. Diese Hilflosigkeit!
Nur ihr Stolz verhinderte, daß sie zu schluchzen begann. Sie wünschte, sie wäre
mitgefahren zu Dr. Geidmann, dort geblieben und jetzt zu Hause. Wie spät mochte
es sein? Ob man schon nach ihr suchte? Bestimmt würde die Eckert alle zu jener
Stelle führen, wo sie, Tanja, ausgestiegen war: also vorn an der Straße, unweit
von hier. Wann kamen ihre Eltern dorthin — Polizei, ihre Freunde? Warum hörte
sie nicht das Gebell der Suchhunde?
    Es ist sicherlich noch zu früh,
beruhigte sie sich.
    Sie horchte.
    Die beiden Kerle befanden sich nicht in
der Mühle.
    Zwar hatten sie drüben in der Ecke ihre
Schlafsäcke hingelegt, aber jetzt saßen sie irgendwo draußen.
    Tanja hörte, wie Bierflaschen klirrten.
    Stimmen murmelten. Aber das war zu weit
entfernt. Sie verstand nichts.
    Eben hatte Werdy sein Schinkenbrot
gegessen und mit Bier nachgespült.
    Er und Riscanto saßen auf
Gartenstühlen, dicht am Ufer.
    Bei dem Italiener ließ die Wirkung der
Aufputschtabletten nach.
    Er döste, hatte schläfrig die Lider auf
Halbmast gehängt und wurde immer einsilbiger.
    Werdy, der Borstenkopf, zeigte, obwohl
nördlich der Alpen geboren, mehr

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