Um Mitternacht am schwarzen Fluß
Temperament.
„Ist ‘ne Zumutung“, meinte er, „statt
daß wir uns in der Stadt austoben — nach so langer Tour — , dürfen wir jetzt
die Göre bewachen. Was Muhson sich einbildet! Kein Überstundengeld kann das
gutmachen. Ihm geht’s ja bestens, er sitzt mit seiner Alten im Seehotel. Wir
sollen uns nicht an der Bar sehen lassen... Ph! Wahrscheinlich, damit wir ihn
nicht beobachten können. Sicherlich verfeiert er bereits den Gewinn, den er
sich von seinem Waffenhandel erhofft.“
„Hm.“
„Ist doch auch deine Meinung?“
„Hm.“
„Schläfst schon, was?“
„Bald.“
„Erfrischt dich die Luft nicht?“
Riscanto gähnte. „Doch.“
„O Mann! Jetzt fällt’s mir ein.“
„Was?“
„Dem Gnazow habe ich den Ballermann
versprochen.“
„Hm.“
„Versprochen ist versprochen. Meinst du
nicht auch?“
„Was interessiert mich dein Gnazow.“
„Er ist mein Freund, du
Spaghettifresser.“
„Schöner Freund! Ein Krimineller.“
„Das ist seine Sache. Mich hat er noch
nicht überfallen. Im übrigen sind auch wir keine Tugendschafe.“
„Schäfchen zählen!“ gähnte Riscanto. „Ich
brauche keine Schäfchen zu zählen. Ich schlafe sofort ein.“
„Dann tu’s. Aber verriegele die
Mühlentür von innen. Ich fahre in die Stadt.“
„Bist du noch zu retten?“
„Gnazow will mir heute das Geld für die
Pistole bringen. Ich habe sie ihm versprochen. Also kriegt er das Ding.“
„Warum ist dir das vorhin nicht
eingefallen?“
„Vorhin mußte ich den Brummi abliefern
und unseren Klumpatsch besorgen. Das war viel genug.“
„Dann fahr! Und bring mir ein paar
Flaschen Wein mit. Italienischen! Du hast nur an dein Bier gedacht. Das Zeug
schmeckt mir zu deutsch. Ich will Wein.“
„Falls ich keinen italienischen kriege,
bringe ich dir Vino antigelo (antigelo = Frostschutzmittel) mit“,
lachte Werdy.
Wenig später geisterten seine
Scheinwerferstrahlen durch den Wald.
Er lenkte den VW-Golf zur Straße. Um
diese Zeit, dessen war er sicher, würde ihm niemand begegnen.
Eingewickelt in ein Tuch lag ein Colt
Peacekeeper auf dem Nebensitz — sowie zwei Schachteln mit je 50 Patronen.
Während der Fahrt stellte er das
Autoradio an.
Das dritte Programm sendete Musik und
zwischendurch Verkehrsmeldungen.
Auf den Autobahnen rund um die
Großstadt bewegten sich zur Zeit drei Geisterfahrer, vor denen gewarnt wurde.
Das störte Werdy nicht. Sein Weg führte
nur über Landstraße und Chaussee.
Später, als er ins Weichbild der Stadt
geriet, war die Rede von Pferden, die aus ihrer Koppel ausgebrochen waren und
nun auf der Autobahn galoppierten.
Werdy schaltete das Radio aus und fuhr
zu seiner Adresse.
Den Wagen parkte er vorn an der
Prieselmeyer-Straße, direkt vor dem Haus Nr. 19.
Mit dem Paket unterm Arm ging er durch
die Zufahrt nach hinten, vorbei am Anbau und am Hof. Über dem Sandweg im Garten
war es stockfinster. Er hörte, wie reife Äpfel vom Baum fielen, und zog
unwillkürlich den Kopf ein.
Er schloß das kleine Gebäude auf, Nr.
19a, wo er wohnte.
In seiner Parterre-Wohnung roch die
Luft, als wäre sie seit dem Jahr 1900 in einem unterirdischen Verlies eingesperrt.
Ihn störte das nicht. Er ließ die
Fenster dicht.
Im Wohnraum knipste er die
Deckenleuchte an und griff zum Telefon. Es stand so dicht beim Fenster, daß die
Schnur die Gardine berührte.
Theo Gnazow meldete sich sofort.
„Ich bin’s“, meinte Werdy. „Habe den
Meuchelpuffer. Wie steht’s mit der Kohle?“
„Mensch, Frank! Wo steckt du denn?
Vorhin war ich bei dir.“
„Habe mich verspätet. Ist ein
erstklassiger Colt. Fabrikneu. Dazu 100 Schuß.“
„Klasse! Soll ich zu dir kommen? Oder?
Bleibt’s bei ‘nem Tausender?“
„Tausend Piepen, wie abgemacht. Komm zu
mir. Aber beeil dich! Ich muß wieder weg. Heh, da fällt mir ein: Kannst du ein
paar Flaschen Wein mitbringen? Ich muß den Makkaroni versorgen.“
„Italienischen habe ich nicht. Nur
Spätlesen aus Österreich.“
„Ist egal. Der trinkt alles.“
„Dann bis gleich.“
Werdy brauchte nicht lange zu warten.
Schon nach zehn Minuten stand Gnazows
knochige Gestalt vor der Tür.
Er hatte einen Karton Weinflaschen
mitgebracht, begutachtete den Revolver und war hell begeistert.
„Perfekt!“ jubelte er. „So muß eine
Puste sein. Gefährlich muß sie aussehen. Wer in die Mündung guckt, dem müssen
die Hosen flattern. Dann hast du freie Bahn, und das Geld liegt auf der Straße.“
„Hast du was vor?“ fragte
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