Um Mitternacht am schwarzen Fluß
vernehmlich. Eine halbe Stunde war vergangen. Das
mußte reichen. Jetzt kam Jessica nicht mehr.
Er nahm die Hausschlüssel an sich,
schlich hinunter, holte die Porscheschlüssel aus der Bar, öffnete das Portal
und schlüpfte hinaus in die herbstkühle Nacht.
Der Himmel zeigte sich verhangen, der
Mond zerfloß wie ein wässeriger Klecks. In seinem fahlen Licht ruhte der See.
Im Schilf quakte ein Wasservogel, vermutlich eine Stockente.
Tief im Wald, kilometerweit entfernt,
röhrte ein Hirsch. Für das Rotwild begann jetzt die Brunft.
Jan lief zu dem Porsche. Eine Weile
verharrte er neben ihm. Sein Blick suchte die Hotelfenster ab. Niemand.
Vorsichtig schloß er den Wagen auf. Als
er hinters Lenkrad glitt, schlug ihm das Herz bis zum Hals.
Er machte sich mit den Armaturen
vertraut. Dann startete er den Wagen. Wenig Gas, ganz wenig Gas! Erstaunlich,
wie leise der Schlitten sein konnte.
Er wendete, rollte über die Straße
hügelan und sah den Wald auf sich zukommen. Noch reichte das Mondlicht. Erst
als er unter den Bäumen war, schaltete er die Scheinwerfer ein.
Herrlich! Er trat aufs Gas und nahm den
nächsten Gang.
Später, das wußte er bereits jetzt,
würde er alles daransetzen, einen Porsche zu besitzen.
Er kam gut mit ihm zurecht, fuhr
schneller und schneller, hatte Fernlicht eingeschaltet und starrte auf die
gewundene Straße.
Auf einer geraden Strecke machte er
Bremsprobe. Phantastisch! Erst jetzt merkte er, daß er sich nicht angegurtet
hatte.
Klick!
Der Wald lag hinter ihm. Dunst waberte
über den Weiden und Feldern. Die Straße war frei. Er erhöhte das Tempo: 160...
170...
Bei 180 km/h blieb er. Der Wagen lag
wie ein Brett — trotz mieser Fahrbahn.
Alles ging gut — bis zu den ersten
Häusern des Vorortes.
Plötzlich stotterte der Motor.
Jan erschrak, sah aber sofort, was der
Grund war.
Kein Benzin mehr. Er hätte längst
tanken müssen.
Neben einem langgezogenen Zaun, der zu
einem Kindergarten oder Sportgelände gehörte, ließ er den Wagen ausrollen.
Er stieg aus. Niemand war in der Nähe.
Verdammt! Hier gab’s keine Tankstelle. Außerdem hatte er keinen Pfennig in der
Tasche.
Verstört beugte er sich in den Wagen
und öffnete das Handschuhfach. Lag dort etwas Geld?
Er fand Straßenkarten, einen Atlas,
Toilettenwasser, Erfrischungstücher und eine Pralinenschachtel, die noch halb
voll war.
Im selben Moment fiel ihm ein, daß
Muhson für den Notfall bestimmt einen Reservekanister im Kofferraum hatte.
Jan öffnete ihn.
Die nächste Lichtpeitsche war ein Stück
entfernt. Ihr Licht reichte nicht bis hierher. Sicherlich besaß der Kofferraum
eine Innenbeleuchtung. Aber die hatte ihren Geist aufgegeben, jedenfalls
flammte kein Licht auf.
Immerhin konnte er feststellen, daß der
Kofferraum allerlei Zeugs und Krimskrams enthielt. Er begann zu suchen. Decken,
zwei Kissen, ein Golfsack mit Schlägern, Schlechtwetter-Stiefel, Regenhäute...
Endlich, ganz hinten, stieß er auf
einen 5-Liter-Kanister. In dem gluckerte Benzin, als er ihn anstieß.
Als er ihn herausnehmen wollte, stützte
er sich mit einer Hand ab — und fühlte die Umrisse einer Pistole unter den
Fingern.
Verblüfft schob er das Tuch beiseite. Dann
hielt er den bulligen Revolver in der Hand — und die schwere Pistole. Sie
rochen nach Waffenöl.
Er stieg in den Wagen und schaltete die
Innenbeleuchtung ein. Lange betrachtete er die Waffen.
Alles Technische interessierte ihn.
Sein Sinn dafür war ausgeprägt. Er erkannte, um welche Modelle es sich
handelte.
Die Abbildungen dieser Waffen, das
wußte er, hatte er längst irgendwo gesehen. Sicherlich in der Tageszeitung. An
den Zusammenhang entsann er sich nicht. Den Text hatte er nicht gelesen — oder
nur flüchtig.
Er legte die Waffen wieder in ihr
Versteck, füllte das Benzin in den Tank und verzichtete auf den Rest der Reise.
In vernünftigem Tempo fuhr er zum Hotel
zurück.
So leise wie möglich stellte er den
Porsche an seinen Platz. Einmal, im Leerlauf, geriet er versehentlich aufs Gas,
und der Motor heulte auf.
Aber niemand schien das zu hören; und
Jan rettete sich schweißnaß in die Hotelhalle.
Er legte die Autoschlüssel auf die Bar
und schlich auf sein Zimmer.
19. Der Tag fängt langsam an
Das erste Licht des Tages weckte Tim.
Es berührte nur den morgengrauen Himmel und fiel noch nicht auf das Häusermeer,
aber die Singvögel reagierten. Einige saßen auf der Dachrinne, andere in den
Apfelbäumen. Ihr Gezwitscher drang in die letzte Phase seines
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