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Unberuehrbar

Unberuehrbar

Titel: Unberuehrbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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Adern verteilt. Sie hat es nicht gesehen. Oder?
    Sie hat die Knie an die Brust gezogen und die Arme darum geschlungen. Lächelt unsicher wie das junge Mädchen, das sie seit Jahrhunderten nicht mehr ist. Das Mädchen, das Kris niemals kennengelernt hat.
    Er richtet seinen Blick wieder nach vorn auf seine eigenen Augen. Tiefschwarz und unergründlich starren sie zurück. Nicht einmal er selbst kann seine Gefühle noch lesen. Er hat sie tief in sich vergraben, und das ist gut so. Sonst könnte er nicht tun, was er jetzt tun muss.
    Langsam dreht er sich um und geht zurück ins Schlafzimmer. Célestes Lächeln heißt ihn willkommen. Kris setzt sich neben sie auf die Bettkante. Dicht. Sehr dicht. Er kann die Wärme, die ihr Körper verströmt, auf seiner Haut spüren. Die Wärme der Menschen, von denen sie früher am Abend auf der Versammlung trinken durften.
    »Wir müssen reden.«
    Céleste nickt. Ihr Lächeln verblasst. »Ich weiß.« Ihre Stimme ist leise. Zaghaft fast.
    Kris wartet. Er weiß, sie hat noch etwas zu sagen. Sie hat immer etwas zu sagen.
    »Es tut mir leid … wie ich dich behandelt habe. Ich hätte dir das nicht antun dürfen.« Céleste schlägt die Augen nieder und verbirgt ihr Strahlen. Ihre Worte ersterben in einem Flüstern. »Du warst immer für mich da. Aber ich hatte solche Angst, dass du fortgehst. Verzeih mir.«
    Kris schweigt. Ihr Lied und ihr Licht, so gedämpft es nun auch schimmert, sind so vertraut. So warm. In diesem Augenblick wäre es leicht, ihr zu vergeben. Zu ihr zurückzukehren. Ihren Streit zu begraben. Er liebt sie doch, und sie liebt ihn. Seit so vielen Jahren.
    Behutsam neigt er sich vor und gibt seiner Schwester einen Kuss auf die Wange. Sekundenlang berührt seine Haut ihre, wie ein Streicheln. Er verharrt mit seinem Gesicht dicht vor ihrem, so dass er ihren Atem spüren kann.
    »Lass uns vergessen«, flüstert er. »Alles, was war.«
    Céleste schließt die Augen. Ihre Lippen zittern, und sie nickt.
    Kris legt seine Hand sanft um ihren Nacken und küsst flüchtig ihren Mund, ehe er sie noch näher zu sich zieht. Er spürt ihr Herz, das nah an seiner Brust pocht, viel hastiger jetzt als noch Sekunden zuvor. Seine zweite Hand gleitet ein Stück ihren Rücken hinauf. Verfängt sich in ihrem Haar.
    Es ist beinahe zu einfach. Natürlich ist es das. Er tut das nicht zum ersten Mal für sie. Und doch ist heute alles anders.
    Bevor er die feinen Nadelstiche ihrer Zähne spürt, spürt er die warme Feuchtigkeit ihrer Tränen auf seiner Haut.
     
    Die Badewanne des Hotelzimmers ist bis zum Rand gefüllt mit weißem Stoff und blutigem Wasser. Kris starrt auf die Laken, die unter dem Druck des Strahls aus dem Wasserhahn wie unruhige Geister durch die blassrote Flüssigkeit wabern. Heutzutage ist es so einfach, Blut aus Textilien auszuwaschen. Man braucht nicht einmal Seife.
    Es war schnell vorbei. Zu schnell fast. Céleste hat sich nicht gewehrt. Gierig hat sie sein Blut getrunken, wie berauscht. Und mit ihm das BRA-47, das ihre Heilkräfte zerstört hat. Auch aus den Wunden an Kris’ Hals, die ihre Zähne hinterlassen haben, quellen noch immer tiefrote Rinnsale.
    Und trotzdem – sie hätte sich wehren können, als er das Messer unter seinem Kissen hervorholte. Es zumindest versuchen. Aber sie hat es nicht getan. Sie hat nicht einmal gezuckt. Und nun liegt sie in dreiundzwanzig Kisten verschlossen in Kris’ Koffer. Bis auf ihr Herz, das noch leise pochend auf dem Nachttisch liegt.
    Vielleicht, denkt Kris, hat sie es doch gewusst.
    Vielleicht hat sie es sogar gewollt.
    Aber diesen Gedanken will er nicht zulassen. Sie ist fort, endgültig.
    Was ihm bleibt, ist Dunkelheit.

Kapitel Zehn
    Im Wald bei Kinlochliath, Schottland
     
    Der Nachthimmel war gesprenkelt mit Millionen leuchtender Sterne. Die Wolken, die den Tag über den Himmel bedeckt hatten, hatten sich inzwischen vollständig aufgelöst. Ein kreisrunder Mond warf sein silbriges Licht durch die Zweige der knorrigen Eichenbäume und malte verzerrte Muster auf den Waldboden.
    Es war Red nicht schwergefallen, die Stelle wiederzufinden, an der er sich am Morgen von Elizabeth getrennt hatte. Seine Spuren im Unterholz waren noch recht deutlich zu sehen. Doch als er am verabredeten Treffpunkt ankam, war er dort noch allein.
    Red setzte sich auf einen morschen Baumstamm, der vermutlich vor etlichen Monaten einem Sturm zum Opfer gefallen war, und sah hinauf in das schattige Geäst. Die Stimmen des nächtlichen Waldes wisperten und

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