Unbeugsam
ehemalige Wachen auf, nach vorn zu kommen. Aus den hinteren Reihen der Sitzenden standen einige Gefangene auf und schlurften |439| in den Mittelgang. Sie kamen nur zögernd nach vorn und schauten Louie mit verzagten Mienen entgegen.
Louie ergriff eine fast kindliche, überschwängliche Euphorie. Bevor er merkte, was er tat, eilte er den Gang hinunter. Völlig perplex sahen ihn die Männer, die ihn einst misshandelt hatten, auf sich zukommen – mit ausgestreckten Händen und einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht.
|440| Epilog
A n einem Junitag des Jahres 1954 purzelte an einer kurvenreichen Straße in den kalifornischen San Gabriel-Mountains eine Horde Jungs aus einem Truck. Geblendet blieben sie im hellen Sonnenlicht stehen. Es waren Burschen mit harten Gesichtszügen, die nicht lang fackelten, wenn es um Handgreiflichkeiten ging; die meisten hatten schon einschlägige Erfahrungen mit der Jugendstrafanstalt oder sogar dem Gefängnis gemacht. Bei ihnen stand Louie und schaute zu, wie sie das Gefühl für Erde ohne Asphalt, Raum ohne Mauern entdeckten. Es kam ihm vor wie ein Blick in seine eigene Jugend.
Dies war der reguläre Startschuss für Louies großes Lebensprojekt, die gemeinnützige Organisation des Victory Boys Camp. 1 Louie hatte mit nichts als einer Idee im Kopf und nur sehr wenig Geld begonnen: Er hatte einen Zeltplatz aufgetrieben, bei dem eine extrem niedrige Pacht die allgemeine Baufälligkeit kompensierte, und dann einige Firmen überredet, Baumaterial zu spenden. Zwei Jahre hatte er mit Baggerarbeiten, dem Wegschaffen von Felsbrocken und dem Ausheben eines Swimmingpools zugebracht. Als er fertig war, stand ihm ein grandioses Ferienlager zur Verfügung.
Das Victory-Camp wurde zu einer Oase für gefährdete Jungen. Louie nahm jeden auf, sogar einen Jungen, der derart widerspenstig war, dass ihm das Sorgerecht für ihn von einem Sheriff übertragen werden musste. Louie ging mit den Jungen fischen, schwimmen, reiten, campen, und im Winter fuhren sie Ski. Er unternahm lange Wanderungen mit ihnen, ließ sie von ihren Problemen reden und seilte sich vor ihren Augen von Felswänden ab. Er schaute sich mit ihnen Berufsinformationsfilme an, und das Schönste war dann jeweils der Moment, wenn ein Junge die Beschreibung einer möglichen Berufslaufbahn anschaute und dann flüsterte: »Genau das möchte ich machen!« Jeden Abend saß Louie mit den Jungen am Lagerfeuer und erzählte ihnen von seiner Jugend, vom Krieg, von der Straße, die ihn zum Frieden geführt hatte. Er sprach zurückhaltend über das Christentum, drängte es ihnen nicht auf, stellte es lediglich als Möglichkeit vor. Einige ließen sich |441| überzeugen, andere nicht; jedenfalls aber verließen immer wieder Jungen, die als üble Schläger im Victory-Ferienlager angekommen waren, den Ort wie verwandelt.
Wenn Louie nicht mit seinen Jugendlichen zusammen war, bereiste er die Welt und erzählte seine Geschichte vor hingerissenen Zuhörern an allen möglichen Schauplätzen – von Klassenzimmern bis Stadien. 2 Bemerkenswert war seine Vorliebe für Engagements auf Kreuzfahrtschiffen: Er schaute die Einladungen penibel nach Einsätzen auf Pauschalreisen durch, während |442| denen er sich dann jeweils auf dem Sonnendeck der ersten Klasse entspannt mit einem kühlen Drink in seinem Liegestuhl zurücklehnte und den Blick auf den Ozean genoss. Da er nicht durch übertriebene Honorarforderungen Schulen und kleinere Gruppen davon abhalten wollte, ihn einzuladen, lehnte er hohe Gagen ab. Er verdiente gerade genug, um für Cissy und ihren kleinen Bruder Luke die Windeln zu bezahlen, später die Jeans, und schließlich das College. Nebenher war er noch in der First Presbyterian Church of Hollywood tätig, dessen Seniorenzentrum er leitete.
Louie demonstriert vor Jugendlichen seine Abseilkünste
Im Lauf der Jahre erhielt er eine geradezu absurde Anzahl an Preisen und Auszeichnungen. Der Lomita-Flughafen, der während Louies Gefangenschaft in Naoetsu in Zamperini-Field umbenannt worden war, wurde nicht nur ein, sondern zwei weitere Male auf seinen Namen umgewidmet. Ein Platz auf dem Campus der University of Southern California wurde nach ihm benannt, außerdem das Stadion der High School von Torrance. Im Jahr 1980 gab man einem Mordstrumm von einem Rennpferd seinen Namen, allerdings war »Zamperini« kein echter Zamperini. Das Haus in der Gramercy Avenue wurde unter Denkmalschutz gestellt. Für fünf Olympische Spiele wurde Louie als Fackelläufer
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