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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
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Qualität eines Alptraums.
    Cynthia flehte Louie inständig an, mit dem Trinken aufzuhören. Vergeblich.
     
    Je tiefer Louie fiel, desto weniger konnte er es vor seiner Umwelt verheimlichen. Ric Applewhite stellte fest, dass Louie unter Waschzwang litt, ständig wusch er sich die Hände und scheuerte jedes Mal danach Waschbecken |422| und Armaturen sauber. Freunde versuchten, mit ihm über sein Alkoholproblem zu reden, doch er hörte nicht auf sie. Als Payton Jordan Louie traf, merkte er, dass es ihm nicht gut ging, aber Louie wollte nicht mit ihm darüber sprechen. Auch Pete machte sich Sorgen um Louie, wusste allerdings nur von seinen finanziellen Problemen. Er hatte keine Ahnung, dass Louie alkoholabhängig war oder wilde Pläne ausbrütete, einen Mann umzubringen.
    Cynthia Zamperini
    Cynthia war verzweifelt über den Zustand ihres Mannes. Sein Benehmen in der Öffentlichkeit war beängstigend und peinlich. Daheim verhielt er sich ihr gegenüber häufig schroff und gereizt. Sie versuchte nach Kräften, ihn zu besänftigen, doch es half alles nichts. So bemalte sie etwa in der Hoffnung, ihm damit eine Freude zu machen, die tristen Küchenwände mit hübschen Weinranken- und Tiermotiven. Er bemerkte es gar nicht.
    Cynthia, gekränkt und in Sorge, schaffte es nicht, Louie zur Vernunft zu bringen. Aus Kränkungen wurde Zorn, und zwischen ihr und Louie entbrannten erbitterte Streitereien. Sie gab ihm Ohrfeigen und warf Geschirr nach ihm; er packte sie so hart an, dass Blutergüsse zurückblieben. Einmal stellte er bei seiner Heimkehr fest, dass sie in einem Zimmer sämtliches Porzellan zerschlagen hatte. Während Cynthia auf der im Hafen ankernden Jacht eines Freundes während einer Party das Abendessen vorbereitete, machte Louie ihr gegenüber im Beisein der Freunde so abfällige Bemerkungen, dass sie das Schiff verließ. Er rannte hinter ihr her und packte sie im Genick. Sie schlug ihn ins Gesicht, da ließ er sie los. Cynthia flüchtete sich zu seinen Eltern, Louie ging allein nach Hause.
    Irgendwann kam sie dann zurück, und die beiden rackerten gemeinsam weiter. Louie hatte kein Geld mehr, er musste einen Freund anhauen, der ihm 1000 Dollar lieh und dafür seinen Chevy als Pfand nahm. Als das Geld weg war, eine weitere Geldanlage sich zerschlug und die Rückzahlung fällig wurde, musste Louie die Autoschlüssel aushändigen.
    In seiner Kindheit war Louie einmal auf dem Weg in die Schule gestolpert und auf einer langen Treppe hingefallen. Er war aufgestanden und gleich danach noch einmal gestolpert und hingefallen, und dasselbe hatte sich noch ein drittes Mal wiederholt. Danach war er überzeugt, dass Gott selbst ihn zu Fall gebracht hatte. Jetzt regte sich in ihm wieder der gleiche Gedanke. Er war sicher, dass Gott ein grausames Spiel mit ihm spielte. Wenn er im Radio jemanden predigen hörte, schaltete er ärgerlich ab, und er verbot Cynthia, in die Kirche zu gehen.
    1948, im Frühjahr, eröffnete Cynthia Louie, dass sie schwanger war. |423| Louie war außer sich vor Freude, gleichzeitig aber bereitete ihm die Aussicht auf noch mehr Verantwortung verzweifelte Schuldgefühle. In London gewann im Sommer desselben Jahres der Schwede Henry Eriksson olympisches Gold über 1500 Meter. In Hollywood wurde es mit Louies Alkoholkonsum nur immer schlimmer.
    Niemand drang zu Louie durch, denn er war nie wirklich nach Hause zurückgekehrt. Im Gefangenenlager war er in einen unmenschlichen Gehorsam gegenüber einer Weltordnung geprügelt worden, in der der Bird der unumschränkte Herrscher war, und unter dieser Weltordnung lebte er nach wie vor. Der Bird hatte ihn seiner Würde beraubt, hatte ihn erniedrigt, beschämt und ohnmächtig zurückgelassen, und Louie war sicher, dass es auch allein dem Bird gelingen werde, ihm seine Würde zurückzugeben, und zwar indem er, Louie, ihn eigenhändig quälte, eigenhändig erwürgte. Aus dem ehemals so hoffnungsfrohen Louie war ein Mann geworden, dem nur noch die Hoffnung auf Mord geblieben war.
    Die Paradoxie der Rachsucht besteht darin, dass sie den Menschen von demjenigen abhängig macht, der ihm Unrecht zugefügt hat – der Rachsüchtige ist überzeugt, einzig dadurch Erlösung zu finden, dass er den Peiniger leiden lässt. Indem Louie darauf hinarbeitete, den Bird zu töten, um sich selbst zu befreien, kettete er sich nur ein weiteres Mal an den Tyrannen. Während des Krieges hatte der Bird alles darangesetzt, Louie nicht loszulassen; jetzt war Louie unfähig, den Bird

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