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Unbeugsam

Unbeugsam

Titel: Unbeugsam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Hillenbrand
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Louies Familie und Freunden auf der Bühne zu gesellen. 10 Er trug eine elegante Fliege und schaute, wenn er sprach, auf den Boden. Für die Gruppenaufnahmen zog er sich in die hintere Reihe zurück.
    Allen und Cecy wurden zusammen alt. Allen hatte viel Zeit zum Golfspielen, verlagerte seine Anhängerschaft von den Sox auf die Cubs und konnte stunden- und tagelang einfach nur schweigend dasitzen. »Dad muss sich mit seinem Schaukelstuhl auf der vorderen Veranda mehr als tausend Meilen vor- und zurückbewegt haben«, so seine Tochter Karen Loomis. »Was in seinem Kopf vorging, weiß ich nicht.« 11
    In den 1990er Jahren erkrankte er nicht nur an Diabetes, es kam auch eine Herzschwäche dazu. 1998, wenige Monate vor seinem Tod, zog er in ein Pflegeheim um. Als die dortige Belegschaft erfuhr, was er im Krieg alles durchgemacht hatte, wurde eine Veranstaltung zu seinen Ehren organisiert. Wahrscheinlich wurde damals zum ersten Mal all das, was er während des Krieges geleistet und durchgemacht hatte, öffentlich als eigenständige Geschichte gewürdigt und nicht lediglich in Bezug auf Louie. Zum ersten Mal in seinem Leben erzählte Allen unbefangen und ausführlich über sich selbst. Während die Leute sich um ihn scharten und fasziniert seiner Geschichte lauschten, bemerkte Karen, wie sich ein schönes Licht auf seinem Gesicht ausbreitete. Ihrer Schilderung zufolge hat er wohl die ganze Zeit innerlich ein wenig gegrinst. 12
     
    Die Männer, die während der Gefangenschaft Louies Freunde gewesen waren, gliederten sich wieder in ein bürgerliches Leben ein. Einigen gelang das gut; andere hatten für den Rest ihres Lebens zu kämpfen. Und es gab einen tragischen Verlust. 13
    Bill Harris hatte bei Kriegsende noch einen großen Auftritt: Nach seiner Befreiung aus dem Gefangenenlager Omori war er unter denen, die der Kapitulationserklärung Japans auf der
Missouri
beiwohnten. Seine herausragende intellektuelle Brillanz, die unter den Schlägen des Quacksalbers so gänzlich verschwunden schien, kehrte zurück. Wieder daheim in den USA |446| verliebte er sich unsterblich in die Tochter eines Navy-Kapitäns, heiratete sie und wurde stolzer Vater zweier kleiner Mädchen. Als es um die Frage ging, ob er in den Ruhestand gehen wollte, entschied er sich, bei der Marine zu bleiben, und wurde in den Rang eines Oberstleutnants befördert. Er und Louie korrespondierten regelmäßig und hatten fest vor, sich eines Tages wiederzusehen.
    Im September des Jahres 1950 war Harris mit dem Auto auf dem Highway unterwegs, als ihn die Polizei rechts herauswinkte. Er sollte ein Bataillon in Korea anführen und musste gleich am folgenden Tag aufbrechen. Bevor er ging, eröffnete er seiner Frau, dass er sich, falls er seinen Gegnern in die Hände fallen sollte, sicher nicht ein zweites Mal gefangennehmen lassen werde.
    Am 7. Dezember 1950 vor Sonnenaufgang stand Harris zusammen mit seiner abgekämpften Truppe bei eisiger Kälte auf einem Berg in Korea. Er |447| und seine Männer waren in so fürchterliche Kämpfe verwickelt gewesen, dass er drei Viertel des Bataillons verloren hatte. An jenem Morgen waren sie als Nachhut eines Konvois eingesetzt. Als der Konvoi eine offene Ebene in die Dunkelheit hinein überquerte, wurde er von einem Trupp Chinesen, der sich in der Nähe verschanzt hatte, überfallen. Was Harris dann tat, wurde im Marine Corps zur Legende. Er sammelte seine Männer und führte sie unter mörderischem Beschuss direkt auf die Chinesen zu. Zahlreiche Männer fielen, doch sie schafften es, die Chinesen so lange aufzuhalten, dass der Konvoi seine Fahrt fortsetzen konnte.
    Bill Harris mit seiner Tochter Katey im Jahr 1950. Nur wenige Monate später verschwand er.
    Als es Tag wurde, war Harris unauffindbar. Zuletzt war er gesehen worden, wie er mit zwei Gewehren bewaffnet eine Straße entlanggegangen war. Stundenlang suchten seine Männer nach ihm, fanden aber keine Spur. Sie schlossen daraus, dass er erneut gefangengenommen worden war.
    Für das, was er in dieser Nacht geleistet hatte, erhielt Harris das Navy Cross, einen Orden, der direkt hinter der vom Kongress verliehenen Medal of Honor rangiert, der höchsten Auszeichnung der amerikanischen Streitkräfte für herausragende Tapferkeit im Kampfeinsatz. General Clifton Capes bewahrte den Orden in seinem Schreibtisch auf; er hoffte, Harris würde eines Tages wiederkommen und ihn in Empfang nehmen. Doch dazu kam es nie. Der 32 Jahre alte William Harris wurde nie wieder gesehen. Als die

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