Unbeugsam
ausgewählt. So viele Gruppierungen drängten sich nach der Ehre, ihm einen Preis zu verleihen, dass er Schwierigkeiten bekam, allen Anfragen nachzukommen.
Louie als Fackelläufer vor den
Olympischen Sommerspielen 1984
Sein Körper zeigte keine Spuren des Alterns, auch die Folgen der Misshandlungen waren restlos verschwunden. Sogar sein verletztes Bein heilte völlig aus. Noch mit über 60 Jahren kletterte er jede Woche auf den Cahuenga Peak und lief eine Meile in weniger als sechs Minuten (also einen Kilometer in 3 34 / Minuten, AdÜ). In seinen 70er Jahren entdeckte er das Skateboarden. Mit 85 suchte er im Rahmen eines – letztlich erfolglosen – Projektes Kwajalein noch einmal auf; man wollte die Leichen der neun Marinesoldaten finden, deren Namen in die Zellenwand gegraben standen. »Wenn ich alt werde«, so Louie, nachdem er am Strand von Kwajalein einen Fußball weggekickt hatte, »lass ich’s euch wissen.« 3 Als er 90 war, stellten bestürzte Nachbarn fest, dass er in den Ästen eines hohen Baums mit einer Kettensäge hantierte. Dem fassungslosen Pete sagte er: »Wenn Gott will, dann holt er mich.« 4 Petes Antwort: »Aber warum zum Teufel musst du ihm dabei helfen?« Noch mit über 90 Jahren konnte man ihn erleben, wie er in strahlender Stimmung auf Skiern die Pisten herunterschoss. Kleinere Knochenbrüche fielen nicht ins Gewicht.
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Der 81-jährige Louie auf dem Skateboard
Seine ansteckende, unverbesserliche Heiterkeit konnte ihm keiner nehmen. Einem Freund gestand er einmal, das letzte Mal, dass er wütend gewesen sei, müsse um die 40 Jahre her sein. 5 Er war überzeugt, dass alles, was geschah, einen guten Grund hatte und zu einem guten Ende führen würde; auf diesem Glauben beruhte seine heitere Gelassenheit, die er auch in Krisenzeiten beibehielt. Ende 2008, kurz vor seinem 92. Geburtstag, beförderte er eine Betonplatte auf einer Sackkarre eine Treppe hinunter. Die Räder der Karre gingen zu Bruch, und Louie und die schwere Platte stürzten abwärts. Im Krankenhaus kam er wieder zu sich; er hatte einen unkomplizierten Bruch an der Hüfte und einen zerschmetterten Daumen. 6 Als seine Tochter durch den Krankenhausflur ging, um ihn zu besuchen, wurde sie schon von Weitem von den Rufen der Pfleger begrüßt, mit denen ihr Vater sich angefreundet hatte und die ihm ihre Ankunft meldeten.
|444| »Ich habe keinen gekannt«, sagte Pete einmal, »der Louie nicht gemocht hätte.« 7 Gleich nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen war, unternahm er einen fünf Kilometer langen Marsch.
Aus Phil wurde nach dem Krieg wieder Allen. 8 Nach einer kurzen Phase, in der er in Albuquerque eine Kunststofffirma betrieben hatte, war er mit Cecy wieder nach Indiana in seine Heimatstadt La Porte umgezogen, wo beide an der Junior High als Lehrer arbeiteten; Allen unterrichtete Naturwissenschaften, Cecy Englisch. Bald bekamen sie dann auch zwei Kinder, ein Mädchen und ein Jungen.
Allen sprach praktisch nie über den Krieg. Seine Freunde behielten ihre Fragen für sich, sie wollten nicht an wunde Punkte rühren. Außer den Narben auf seiner Stirn, die seine Verwundung beim Absturz der
Green Hornet
hinterlassen hatte, legten nur gewisse Gewohnheiten Zeugnis davon ab, was er durchgemacht hatte. Nachdem er wochenlang von rohem Albatros- und Seeschwalbenfleisch gelebt hatte, rührte er kein Geflügel mehr an. Er hatte die merkwürdige Angewohnheit, Speisen direkt kalt aus der Dose zu essen. Und das ehemalige ungeschlagene Flieger-Ass begab sich nie mehr auch nur in die Nähe eines Flugzeugs. Als in den USA das Jet-Zeitalter anbrach, unternahm Allen auch weiterhin sämtliche Reisen mit seinem Auto. Erst viele Jahre später, als seine Tochter ihren Mann bei einem Autounfall verlor, wagte er es, wieder ein Flugzeug zu besteigen, um schnell bei ihr zu sein.
Allen Phillips mit seinen Kindern, Chris und Karen, Vorlesezeit, 1952
|445| Japan suchte er nicht noch einmal auf, war aber offenbar auch ganz frei von Groll. Am nächsten kam er vielleicht einer gewissen Irritation, wenn er, was quasi unvermeidlich war, im Hype um Louies Geschichte als unerhebliche Fußnote behandelt wurde. 9 Doch falls ihn das verstimmt haben sollte, trug er es jedenfalls mit Würde. Als Louie im Jahr 1954 in der TV-Dokumentarserie
This Is Your Life
vorgestellt wurde und man ihn mit einer goldenen Uhr, einer Filmkamera, einer Mercury-Kombi-Limousine und 1000 Dollar beschenkte, reiste auch Allen nach Kalifornien, um sich zu der Gruppe von
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