Unbeugsam
amerikanischen Kriegsgefangenen nach dem Koreakrieg freigelassen wurden, konnte keiner berichten, ihm begegnet zu sein. Er war einfach verschwunden.
Viele Jahre später traf bei Harris’ Familie eine Schachtel mit Knochen ein, die offenbar von Nordkorea zurückgegeben worden waren. Es hieß, die Überreste könnten von Harris stammen, doch die Gutachten waren so lückenhaft, dass die Familie sich nie sicher sein konnte, ob es tatsächlich Bill war, den sie auf einem Friedhof in Kentucky beisetzten. Was an jenem Morgen im Jahr 1950 passierte, ist und bleibt unbekannt.
Pete heiratete nach dem Krieg Doris, eine attraktive Frau aus Kansas City; sie hatten drei Kinder, und er stellte sein Leben ganz in den Dienst der Aufgabe, für die er geboren war. Er arbeitete als Fußballtrainer an der Torrance High School und gewann die Meisterschaft, dann wechselte er an die Banning High School in Wilmington, wo er als Fußball- und Leichtathletiktrainer arbeitete. Während seiner 30-jährigen Tätigkeit gab es nur eine einzige Saison, in der er keinen Titel holte. Der Trainer Zamperini war so beliebt, dass er anlässlich seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Jahr 1977 von 800 Leuten auf der
Queen Mary
mit einem großen Fest geehrt wurde.
|448| Nicht dass Pete sich nach diesem Event tatsächlich zur Ruhe gesetzt hätte. Noch im Alter von 90 Jahren trainierte er mit den Kleinsten aus der Nachbarschaft, er bastelte ihnen Hanteln aus alten Dosen, genau wie diejenigen, die sein Vater viele Jahre zuvor für Louie hergestellt hatte. Er ließ die Kinder auf dem Bürgersteig Rennen austragen und feuerte sie bei ihren Sprints an; für jedes Rennen gab es zehn Cent und für eine persönliche Bestzeit einen Vierteldollar.
In Petes Verhalten hatten die Kriegserlebnisse seines Bruders viel mehr Spuren hinterlassen als bei Louie selbst. 1992 sollte er eine Gruppe Studenten auf einem Angeltrip auf offener See begleiten. Sie hatten die Absicht, auf einem funkelnagelneuen, 9 Meter langen Schiff in See zu stechen, doch allein schon die Perspektive versetzte Pete in Angst und Schrecken. Er tauchte mit einer absurden Menge an Sicherheitsartikeln auf, darunter ein extrem schwer belastbarer Plastiksack, der als Rettungsschwimmkörper verwendet werden konnte, eine zwei Meter lange Leine, eine Trillerpfeife und ein Taschenmesser, mit dem er Haie zu vertreiben gedachte, die es darauf anlegten, ihn zu fressen. Während der ganzen Unternehmung starrte er immer wieder skeptisch aufs Meer.
Von frühester Kindheit an bis ans Ende seines Lebens änderte sich nichts an Petes bedingungsloser Ergebenheit für Louie. Er stellte eine Mappe zusammen, die überquoll von Zeitungsausschnitten und Fotografien aus Louies Leben, und er war immer gern bereit, einen Nachmittag zu opfern, um von seinem Bruder zu erzählen; einmal saß er fast drei Stunden lang nur in ein Badetuch gehüllt am Telefon, um einem Reporter Rede und Antwort zu stehen. Noch mit 90 – ein Dreivierteljahrhundert später – erinnerte er sich bis auf Bruchteile von Sekunden genau an die Zeiten, die Louie bei seinen Rennen gelaufen war. Ebenso wie Payton Jordan, der das Leichtathletikteam der USA für die Olympiade im Jahr 1968 trainierte, hielt Pete an seiner Überzeugung fest, dass Louie die Four-Minute-Mile geschafft hätte, und zwar lange bevor Roger Bannister der Erste war, dem das – im Jahr 1954 – tatsächlich gelang. Noch Jahrzehnte nach dem Krieg konnte Pete die Fassung verlieren, wenn er an all das dachte, was Louie durchgemacht hatte. Als er einmal Louies Martyrium während des Krieges vor einem Publikum beschrieb, das zu Ehren seines Bruders zusammengekommen war, schwankte er und brach zusammen. Er brauchte eine ganze Weile, bis er weiterreden konnte.
An einem Tag im Mai des Jahres 2008 hielt ein Auto vor dem Haus in San Clemente, in dem Pete wohnte, und Louie stieg aus. Er war gekommen, um sich von seinem Bruder zu verabschieden. Pete hatte ein Melanom, das |449| sich in sein Gehirn hinein ausbreitete. Ihre kleine Schwester Virginia war wenige Wochen zuvor gestorben; einige Monate danach starben auch Sylvia und Payton Jordan. Cynthia, wunderbar und eigensinnig bis zum Ende, war 2001 an Krebs gestorben, sie dämmerte hinüber, während Louie seine Wange an ihre gelegt hatte und ihr noch einmal flüsternd seine Liebe gestand. Der über 60 Jahre zuvor für tot erklärte Louie sollte sie alle überleben.
Pete lag mit geschlossenen Augen auf seinem Bett. Louie saß neben ihm.
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