Uncharted - Das vierte Labyrinth
der unterirdische Strom verschwand.
„Nein!“, schrie Drake. Er stieß sich mit den Füßen ab und packte Sully um die Taille, als wäre das hier ein Ringkampf.
Er schob seinen Freund auf das Ufer zu, stemmte die Beine gegen den Boden, als das Wasser nur noch hüfthoch war, und wehrte sämtliche Versuche Sullys sich zu befreien ab. Am seichten Rand des Flusses, wo die Strömung nicht so stark war, verpasste er seinem Freund schließlich einen Tritt, der ihn nach vorne auf den felsigen Untergrund des Ufers taumeln ließ. Mit hämmerndem Herzen und brennenden Lungen folgte Drake ihm aus dem Wasser, dann blieb er keuchend stehen und stützte die Hände auf die Knie. Seine Muskeln fühlten sich nach dem Kampf im Fluss kraftlos an, und obwohl die Luft herrlich süß schmeckte, schmerzte seine Kehle bei jedem Atemzug mehr.
In der Düsternis vor sich sah er Sullys Silhouette, die sich aufrichtete und sich ihm zuwandte. Er sah aus wie ein schwarzer Scherenschnitt, nur seine Augen glänzten in dem dunklen Umriss, der sein Kopf war. Sie schienen ebenso feucht und schwarz zu sein wie die Felsen am Flussufer.
„Sully, bitte“, krächzte Drake. „Ich bin’s. Nate. Ich weiß, dass du noch irgendwo da drin bist. Ich will nicht gegen dich kämpfen.“
So leise wie die Vermummten griff Sully ihn an. Drake duckte sich nach links weg, packte den ausgestreckten Arm seines Gegners und riss ihn herum, um ihm das Knie in den Unterleib zu rammen. Er hörte ein gequältes Ausatmen, als sämtliche Luft aus Sullys Lungen entwich, aber der Besessene gab nicht auf. Er keuchte und grunzte nur, als Drake ihm einen zweiten Stoß mit dem Knie verpasste.
Unvermittelt biss Sully ihm in den Arm, so fest, dass seine Zähne die Haut durchdrangen, und Drakes lauter Schmerzensschrei vermischte sich mit dem Rauschen des Wasserfalls zu einem ohrenbetäubenden Chor. Mit der freien Hand schlug er Sully fünfmal schnell hintereinander gegen die Schläfe, bis der Besessene endlich von ihm abließ, und Drake stolperte von ihm fort, wobei er alle Mühe hatte, nicht wieder in den Fluss zu fallen. Er spürte, wie das Blut seinen Arm hinunterlief, und ihm wurde klar, dass er diesen Kampf schnell beenden musste, sonst würde Sully ihn umbringen.
Durch das Wasser am Rand des Flussbettes watete er auf seinen besten Freund zu, täuschte einen Schlag an, dann noch einen und ließ anschließend drei schnelle Hiebe in Sullys Gesicht folgen. In der Dunkelheit konnte er nur den Umriss seines Gegners ausmachen. Aber die schlaffen Züge, die Leere in diesen trüben Augen wollte er auch gar nicht sehen, vor allem jetzt nicht.
Ein finaler Schlag schickte Sully wieder auf die Felsen, und als er versuchte aufzustehen, sprang Drake hinter ihn und nahm ihn erneut in den Schwitzkasten. Diesmal hatte er festen Boden unter den Füßen, und er ließ nicht locker, auch nicht, als Sullys Schläge allmählich schwächer wurden. Binnen weniger Sekunden war sein Freund in seinem Griff erschlafft, und erst, als er sich nicht mehr rührte, ließ Drake ihn los. Sully sackte auf dem Boden zusammen, und Drake überprüfte hastig seinen Puls. Als er Sullys Herzschlag spürte, umarmte er seinen Freund und stieß zitternd den Atem aus.
Sully lebt , dachte er, wie erstarrt vor Schock und Erleichterung. Zum ersten Mal gestand er sich ein, dass er tief in seinem Innern geglaubt hatte, die vermummten Ninjas hätten ihn getötet. Er wusste nicht, wie er ihn aus dem Labyrinth schaffen und ihn von der Wirkung des Honigs befreien sollte. Aber er wusste, dass er das Ganze langsam angehen musste, einen Schritt nach dem anderen.
Etwas Dunkles trieb in der starken Strömung an ihnen vorbei. Drake verfluchte sich. Er ließ Sully los und blickte hinauf zu dem Plateau. Die Strahlen zweier Taschenlampen bewegten sich langsam an der wasserglänzenden Treppe entlang nach unten auf ihn zu.
„Nate!“, rief eine Stimme, die über das rauschende Donnern des Wasserfalls nur schwach zu hören war.
„Hier drüben!“, schrie er und watete ein paar Schritte in den Fluss. „Ich habe Sully!“
Die beiden Lichtfinger glitten weiter neben dem Wasserfall nach unten, und allmählich konnte er auch die Umrisse der Gestalten erkennen, die die Lampen hielten. Jada und Henriksen hatten die drei Widersacher, die sie gemeinsam mit Sully und Ian Welch auf dem Plateau angegriffen hatten, also überwältigt. Es war die Leiche eines der Vermummten, die gerade an Drake vorbeigetrieben war, und er schätzte, dass die
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