Uncharted - Das vierte Labyrinth
würde zwangsläufig auffliegen. Vielleicht würde er ja damit durchkommen, wenn er behauptete, dass sie ihn getäuscht hatten, und Drake und Sully würden diese Lüge jederzeit bestätigen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Doch falls es ihnen nicht gelang, die Wahrheit über die Morde an Luka und Cheney aufzudecken, war es gut möglich, dass Ian Welchs Karriere an ihrem Ende angelangt war. Welche Geheimnisse also dort unten auch lagen, sie würden sie verflucht noch mal vor Tyr Henriksen unter die Lupe nehmen.
„Hören Sie“, sagte Drake zu Melissa. „Wir sind keine Amateure. Wenn wir da unten in der Kammer sind, werden wir Ihre Arbeit nicht stören. Wir werden so leise und unauffällig sein wie Schatten an der Wand.“
Melissa warf ihm einen Blick zu, wie ihn sonst wohl nur betrunkene Zirkusclowns und größenwahnsinnige Reality- TV -Stars abbekamen. „Ach?“, stieß sie hervor. „Sie sind keine Amateure? Wie würden Sie dann den Mist bezeichnen, den Sie hier gerade abgezogen haben?“
Drake wand sich innerlich, als er zu dem Loch im Boden hinüberblickte und an die Vase und all die anderen unersetzlichen Artefakte dachte, die er vermutlich zerstört hatte. Aus den Augenwinkeln sah er Jada nicken, als wollte sie ihm sagen: Aus der Sache kommst du nicht mehr raus .
„Ich würde es eine Entdeckung nennen“, entgegnete er und setzte sein charmantestes Lächeln auf. Leider war es nicht charmant genug. „Sie hatten keine Ahnung, dass es hier einen Schacht gibt. Das könnte der Durchbruch sein, auf den Sie gewartet haben.“
„Oh, ich hätte nichts dagegen gehabt, noch ein paar Tage auf diesen Durchbruch zu warten, während wir die Kammer angemessen untersucht hätten “, schnappte Melissa, und es war offensichtlich, dass er sie nur noch wütender gemacht hatte. Sie blickte Welch an. „Ian, bitte. Ich weiß, diese Leute sind Ihre Freunde, aber … “
„Das reicht jetzt, Melissa“, sagte Welch abweisend.
„Ian … “
Welch wirbelte zu ihr herum. „Genug!“
Das ließ sie verstummen. Seine Stimme hallte laut in der Kammer wider. Plötzlich ging Alans Taschenlampe aus, und sie alle mussten sich die Lichtpunkte aus den Augen blinzeln. Doch die Anspannung in der Kammer wurde durch diesen kleinen Zwischenfall nicht vermindert. Melissa starrte Welch an. Sie fragte sich ganz offensichtlich, was um alles in der Welt über ihn gekommen war. Das war nicht das Verhalten, das sie von einem Kollegen – irgendeinem Kollegen – gewohnt war. Es war deutlich zu sehen, dass sie Welch gegenüber besonderen Respekt und besondere Sympathie hegte. Doch all das ging nun ebenso in die Brüche wie die Vase auf dem Boden des Schachtes.
Schließlich wanderte ihr Blick von Welch zu Jada, von Jada zu Sully und schließlich von Sully zu Drake. Er konnte sehen, wie ein Verdacht sich in ihre Augen schlich.
„Worum geht es hier?“, fragte sie, während sie sich das widerspenstige Haar aus der Stirn strich. „Was verheimlichen Sie mir?“
Welch senkte den Blick, und es war ihm deutlich anzumerken, wie sehr er das alles bedauerte. „Melissa … “
„He“, rief Sully plötzlich.
Er hatte sich vor dem Schacht auf den Bauch gelegt und präsentierte sich nun in derselben Haltung wie Drake, als sie ihn aus dem Schlund gezogen hatten. Alan starrte ihn ungeduldig an, damit dieser komische alte Kerl endlich aus dem Bild ging und er ein paar anständige Fotos machen konnte. Aber Sully rührte sich nicht vom Fleck. Er schob sich auf den Resten des Sandhaufens nach vorne, ohne über die unschätzbar wertvollen Relikte nachzudenken, die er dabei womöglich unter seinem Körper zermalmte, und streckte seinen Kopf in den Schacht hinab.
„Da unten ist Licht.“
„Natürlich ist da Licht“, giftete Alan. „Es kommt von hier oben und wird von den Wänden nach unten reflektiert.“
Sully hob den Kopf und warf dem Studenten einen vernichtenden Blick zu, der ihn sofort den Mund schließen ließ. „Ich bin kein Idiot“, grollte er. „Sie sind hier doch der Fotograf. Sollten Sie nicht über Lichtquellen und Winkel Bescheid wissen? Kommen Sie her und sehen Sie sich das an.“
Das entschärfte die Auseinandersetzung, die sich zwischen Melissa und Welch angebahnt hatte. Drake blickte nach draußen in die Gebetskammer. Er fragte sich, warum Guillermo wohl so lange mit der Leiter brauchte. Aber dann tröstete er sich, dass vermutlich noch gar nicht so viel Zeit vergangen war und es außerdem eine Weile dauern würde,
Weitere Kostenlose Bücher