Und abends etwas Liebe
von ihm
unterdrückt.«
»Dann muß sie sich auflehnen«,
meinte Tony lebhaft. »Vielleicht können wir etwas Ärger machen, indem wir
Gerüchte verbreiten, daß er mit einer Kundin ein Verhältnis hat.«
»Laß das nur nicht Tantchen
hören. Sie ist sehr gottergeben und dem Gesetz absolut treu.«
»Trotzdem ist sie ein Schatz.
Ach, ich mag die Leute hier.«
Und die meisten dieser Leute
mochten auch Tony sehr gern. Natürlich gab es hier und da Kritik. Cecily Harper
aber, die Schwester von Mrs. Carter, sah in Tony eine Rivalin. Sie war viel zu
hübsch und ungehemmt, als daß Tony ihr hätte beikommen können, aber gerade über
den Standpunkt von Cecily war ich doch sehr enttäuscht. Sie war eine der
wenigen jungen Frauen in der Gegend, sie würde einen Nachbarn heiraten, und ich
hatte damit gerechnet, Cecily und Tony würden Freunde werden.
Eine Kirchenversammlung und der
anschließende Tanz im Gemeindehaus boten die Gelegenheit für Tonys ersten
öffentlichen Auftritt. Als sie auf dem Schwarzen Brett, draußen vor dem Laden,
die Ankündigung von diesem Ereignis las, war sie sehr aufgeregt. Trotz der Proteste
unserer Männer entschieden wir uns dafür, vollzählig zu erscheinen.
»Tony soll auch einmal eine
Freude haben. Außerdem ist sie kaum jemals tanzen gewesen. Im Internat
natürlich schon, aber während ihrer Ferien nur sehr, sehr selten. Es wird
langsam Zeit, daß sie andere junge Leute kennenlernt und sich ein bißchen
amüsiert. Sie war viel zu lange in einem Internat eingesperrt.«
Nur selten gingen wir alle aus
dem Haus, aber bei solchen seltenen Gelegenheiten bestand der Colonel darauf,
sich gemeinsam mit Mrs. Evans der Kinder aller Familien anzunehmen. Alle sechs
wurden bei Anne abgeladen, und auf dem Heimweg holten wir sie wieder aus den
Betten zu uns. Unseren Babysittern fiel das gewiß nicht ganz leicht, aber der
Colonel war direkt beleidigt, als ich mir einmal erlaubte, mich in dieser
Richtung zu äußern. »Unsinn, mein liebes Kind. Ihr müßt einfach ab und zu mal
ausgehen, obwohl ich nicht ganz verstehe, wie man an diesen Dorffesten Gefallen
finden kann. Aber ich glaube, sie bringen etwas Abwechslung in das eintönige
Landleben.«
»Aber sechs Kinder! Wachsen die
Ihnen niemals über den Kopf?«
Ȇber den Kopf? Mir scheint,
Susan, du hast ganz vergessen, daß es meine Spezialität ist, die Disziplin aufrechtzuerhalten.
Ich darf dir versichern, daß wir nie die geringsten Schwierigkeiten hatten. Es
ist immer sehr nett und friedlich, wenn die Kleinen hier sind. Mach dich also
von solchen komischen Gedanken bitte frei. Die Kinder machen doch Freude.«
Ich glaube, er war von jedem
einzelnen seiner Worte felsenfest überzeugt. Wir wußten nie so genau, was
während solcher Nachtsitzungen eigentlich passierte, aber die
Disziplinarmaßnahmen des Colonel konnten nie besonders hart gewesen sein. Denn
immer, wenn wir die Kinder abholten, fanden wir sie friedlich schlafend in den
Betten vor, und am nächsten Morgen war immer die erste Frage der Kleinen, wann
sie wieder einmal zum Colonel dürften.
Die Kleider, die bei solchen
Festen getragen wurden, waren sehr unterschiedlich. Die meisten Frauen und
Mädchen trugen kurze Kleider, Cocktailkleider oder Sommerfähnchen. Ich muß aber
gestehen, daß ich doch etwas enttäuscht war, daß Tony nur ein einziges, weißes
Kleid aus Sydney mitgebracht hatte, und zwar die Sorte von Kleid, die in der
Schulvorschrift mit »einfaches, weißes Kleid, auch für abends geeignet«
bezeichnet wurde. Es sah aus, als habe es mehrere Jahre Schuleinsatz hinter
sich und sei reif dafür, einer kleineren Schwester überlassen zu werden.
Ein wenig mißmutig sagte sie:
»Schönen Dank fürs Aufbügeln, aber ist das nicht ein dämliches, altes Kleid?
Ich habe es zwei Jahre lang im Internat getragen und bin froh, daß ich
inzwischen nicht zugenommen habe. Mutter sagte mir seinerzeit, wenn ich mit
Tanzstunden anfange, würde sie mir ein paar hübsche Sachen kaufen.«
»Und hast du Tanzstunden
genommen?«
»Ab und zu einmal, während der
Ferien, aber nicht sehr oft. Natürlich wurden auch im Internat Tanzabende
veranstaltet. Nicht weit entfernt von unserer Schule war ein Jungen-Internat,
und wir taten uns zusammen. Aber die meisten der wirklich netten Jungen haßten
diese Abende und versteckten sich in den Ankleideräumen oder gaben vor, krank
zu sein. Mutter sagte, sie würde an meinem achtzehnten Geburtstag einen
Tanzabend geben, aber wahrscheinlich hätte sie das doch
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