Und da kam Frau Kugelmann
Schuljahres wieder mit seinem Freund Mietek auf der Schulbank sitzen würde. Und so ist es passiert, dass er seine wichtigste Aufgabe, als Kassenwart des Sportklubs Rapid auf die Vereinskasse zu achten, außer Acht ließ. Er vergaß, für die Zeit der Flucht einen Nachfolger zu benennen, der die laufenden Kassengeschäfte in seiner Abwesenheit zuverlässig führte. So einer wäre leicht zu finden gewesen, es hätte der kluge Gonna sein können, zur Not auch die Marysia Teitelbaum, das Mädchen war ordentlich und konnte gut rechnen. Und so ist das gesammelte Geld aus den Jahresbeiträgen der Mitglieder in der Kasse geblieben, unberührt und luftdicht eingeschlossen in einer eisernen Kasse in Fettauges verzierter Holzschublade, und hat sich noch nicht mal vermehrt, wie sich das für gutes Kapital gehört. Die Schlüssel zu dem Fach und zu der Kasse steckten an einem Bund in Fettauges Hosentasche und haben den weiten Weg bis in die Ukraine mitgemacht.
Fettauge haben die Sorgen der Eltern über die ungewisse Zukunft nicht berührt, auch haben ihn die Strapazen der Reise nicht sonderlich gestört. Seine häuslichen Fettspeisen hat er zwar vermisst, aber alles war überschattet von der Verzweiflung über seine verlassene Kasse. Jeden Tag beklagte er sich beim Vater, dass er nach Bendzin zurückkehren wolle. Der Vater müsse doch ein Einsehen haben, dass er die Kasse ordnungsgemäß zu übergeben habe. Ein derart wichtiger Verein wie der Rapid könnte doch nicht ohne eine Kasse existieren. Jeden Tag stünden Ausgaben an, es würden Schreibpapier und Unterlagen fehlen, wie sollten die anstehenden Wettkämpfe vorbereitet, wovon neue Pokale gekauft werden, wer solle einem Verein noch vertrauen, wenn der Kassenwart mit dem Schlüssel auf der Flucht sei? Am Ende, nur nicht daran denken, würden alle außer seinem besten Freund Mietek sagen, dass er die Kasse auf die Flucht mitgenommen und sie womöglich noch in der allerersten Nacht ausgeraubt habe.
Zu Fettauges Qualen kam hinzu, dass der Kassenschlüssel mit einem Drahtband an den Schrankschlüssel gebunden war, was sich durch Klingeln und Klappern bei jedem Straßenhuppel bemerkbar machte. Während der Fahrt überlegte Fettauge, ob er die Lebensgemeinschaft von Kassenschlüssel und Schrankschlüssel nicht aufheben sollte, um nicht ständig durch die Schlüsselgeräusche an die zurückgelassene Kasse erinnert zu werden. Aber er beschloss, wie ein verantwortlicher Kassenwart zu handeln und den Schlüssel vernünftigerweise am Bund zu lassen. Ein einzelner Schlüssel verliere sich zu leicht. Fettauge würde bald, wenn alles gut ginge, den Kassenschlüssel unversehrt nach Bendzin zurückbringen. Fettauge stellte während der öden, langweiligen Fahrt fest, dass die beiden Schlüssel unterschiedliche Geräusche von sich gaben, wenn sie in der Hosentasche aufeinander trafen. Traf der Kassenschlüssel auf den Schrankschlüssel, hörte es sich wie eine kleine Melodie an: Lass mich raus, gib mich frei, ich will zum Rapid. Wenn aber der Schrankschlüssel zuoberst lag und beim Klappern auf den Kassenschlüssel traf, gab es ein quietschendes Geräusch, ein Geflüstere: Pass doch auf, du grober Kerl, du erdrückst mich mit deinem Tonnengewicht. Und: Ach, sei ruhig, du kleines Biest, hör auf zu klagen, mach statt dessen die Augen auf und genieß die weite Welt, durch die wir fahren. Fettauge versuchte, Schrank- und Kassenschlüssel während der Fahrt zu beruhigen, indem er sie, soweit der Bund es zuließ, parallel nebeneinander legte. Das ging aber nur eine Weile gut, bei der nächsten Kreuzung stießen sie wieder zusammen, sie setzten ihren Streit in der Tasche fort, bis Fettauge seine Finger energisch dazwischen schob.
Die Fahrt ging zuerst mal nach Tarnow. Da war der Vater noch wer, man war noch gut untergebracht, in einem komfortablen Hotel, und die Hotelrechnung wurde von der Firma Heinzel und Sohn bezahlt, die dem Vater wegen einer Lieferung noch Geld schuldete.
Fettauge gelang es nicht, den Vater umzustimmen oder ihn wenigstens dazu anzustiften, jemanden zu beauftragen, den Kassenschlüssel nach Bendzin zurückzubringen. Es hätte schon einen gegeben, der vertrauenswürdig genug war, aber der Vater wollte unter keinen Umständen ein Zeichen von sich geben, schließlich ging es um sein Leben.
Sie blieben lange in Tarnow, der Vater fühlte sich dort sicher. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Bendzin aber mussten sie in aller Eile mit dem Pferdewagen ostwärts flüchten, und
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