Und dann kam Ute (German Edition)
Gestöhne Möbel und Umzugskisten gehievt wurden. Fasziniert blieb ich stehen und schaute zu. Das war vielleicht eine schräge Truppe! Vollbärtige Latzhosenträger und kaum besser rasierte Frauen in topmodischen Jutta-Ditfurth-Gedächtnisblusen mühten sich redlich, schwere Massivholzschränke in Helgas Marlborohöhle zu schleppen. Völlig konzeptlos, ohne Sinn und Verstand. Was für ein erbärmliches Spektakel!
Aber auch ein Bild für die Götter, denn der ganze Umzug wirkte wie die misslungene Hausbesetzung durch den Männerstrickclub «Rastafari Freies Wendland». Überall bemühte Sozialpädagogen, die schon mit dem Transport einer Yuccapalme von A nach B völlig überfordert waren. Ein Haufen linkshändiger Bananenbieger, die die Praxis nur aus der Theorie kannten. Für ein bisschen Stimmung in dieser müden Truppe sorgte Flöcki, Hajos und Katis hinterfotziger Terror-Jack-Russell. Kaum hatte die miese Töle einen der möbelschleppenden Basisdemokraten erblickt, stürzte sie sich mit wütendem Gekläffe auf ihr Opfer und verbiss sich in rasender Wut in dessen ausgelatschte Mephisto-Treter.
Zum Glück konnte ich Schlimmeres verhindern, denn als Flöcki mich auf das Haus zukommen sah, verzog er sich mit eingekniffenem Schwanz unter die kleine Vorgartenbank. Ich legte die Brötchentüte auf die Bank, setzte mich und schlug die Metal Hammer auf. Ich tat so, als läse ich Marilyn Mansons Schminktipps, und lünkerte dabei über den Heftrand, um mir auch ja kein Detail dieser Komödie entgehen zu lassen.
Eine gute Entscheidung, denn jetzt trat eine resolute, leicht schmerbäuchige Mittdreißigerin auf. Sie war zirka 1,72 Meter groß und hatte lange braun-blonde Haare, die sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Ihr Gesicht sah eigentlich ganz hübsch aus. Die Nase genau richtig – nicht zu groß, nicht zu spitz, nicht zu klein –, ein schöner Mund mit vollen, geschwungenen Lippen. Ihren Humor jedoch hatte sie offensichtlich in einer der zahlreichen nummerierten und derangierten Umzugskisten gelassen.
Der schnarrende Kasernenhofton und die leicht stalinistische Körpersprache ließen keinen Zweifel daran, wer in diesem Rudel Ökogurken der Chef an der Schüppe war. Als Madame mich eifrig lesend auf meinem Logenplatz erblickte, blaffte sie mich an: «Ist das Ihr Porsche da vorne? Der muss da weg!» Ich ließ die Zeitung sinken und schenkte ihr mein strahlendstes Lächeln. Meine Stimme tönte süß und charmant wie süffiger Portwein: «Auch ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen, Frau Honecker. Sie haben völlig recht, die Mauer muss weg! Und weil Sie mich so nett bitten, kann ich Ihnen diese Gefälligkeit natürlich nicht verwehren.»
Frau Honeckers Gesichtszüge entspannten sich, und ein Ausdruck von Verlegenheit schlich sich in ihren Blick.
«Oh, Entschuldigung, das war wohl etwas daneben. Das ist mir jetzt aber unangenehm. Ich sollte mich vielleicht erst mal vorstellen: Mein Name ist Ute Peymann. Ich bin die neue Mieterin. Verzeihen Sie bitte, aber ein Umzug in meinem Zustand, mit dem dicken Bauch, geht leider etwas an die Substanz.»
«Schon vergessen, Fräulein Ute! Das Problem kennen wir doch alle. Auch ich hab schon wieder vier Kilo zu viel auf der Hüfte. Schmeckt halt alles so gut. Kleiner Tipp: Einfach mal abends die Tafel Schokolade weglassen und stattdessen ’ne schöne Tüte Chips aufmachen!»
Sie grinste breit und konterte: «Ach, sind Sie auch schwanger?»
Ich blickte ihr direkt in die Augen und dachte krampfhaft über eine originelle Antwort nach. Sie wich meinem Blick nicht aus.
Zum Glück brachen wir dann aber beide in Lachen aus. Ich fuhr den Porsche weg, packte mal eben mit an, und trotz meiner wortgewaltigen Mithilfe war Utes Echtholzgerümpel bald an Ort und Stelle.
Als endlich die letzten Freunde gegangen waren, ließ sich das hochschwangere Muttertier in einen Sessel fallen und japste erschöpft in meine Richtung: «Sag mal, Herr neuer Nachbar, gibt’s hier irgendwo ’ne kleine Pizzeria für den großen Hunger?»
«Hömma, Prinzessin Doppelherz, wenn du versprichst, mich ab jetzt nur noch liebevoll Atze zu nennen, mach ich dir ’ne Pfanne von meinen legendären Bratkartoffeln. Handgeklöppelt, buttergebräunt und formvollendet in Landestracht serviert!»
Tatsächlich kam sie nach einer halben Stunde zu mir hoch. Erschöpft saß sie mit einem Malzbier am Küchentisch, sah mir beim Bratkartoffelnschmurgeln zu und fragte mich neugierig über
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