Und dann kam Ute (German Edition)
den Rest unserer Hausgemeinschaft aus. Ich erzählte ihr das Notwendigste über ihre neuen Mitbewohner und versuchte meinerseits, ein bisschen mehr über sie zu erfahren.
Ute war Lehrerin und hatte hier in Essen an der Ilja-Rogoff-Waldorfschule einen Job angenommen. Ich hatte bis dato überhaupt nicht gewusst, dass es in Essen überhaupt eine Waldorfschule gibt – geschweige denn, was der Unterschied zu einer normalen Schule ist. Aber das wollte ich mir auf keinen Fall anmerken lassen, schon gar nicht während meiner schwierigen Brataktion.
«Und, was machst du so von Beruf?», fragte sie.
Ich war begeistert. Endlich mal jemand, der offensichtlich den Fernseher nicht benutzte! Mühsam versuchte ich ihr zu erklären, wer ich bin und was ich mache. Sie konnte es kaum glauben. Immer wieder schüttelte sie den Kopf und hakte nach:
«Du trittst im Fernsehen auf? So richtig bei einer Sendung? Oder mehr so in Serien? Entschuldige, aber ich interessiere mich nicht fürs Fernsehen, und mit Comedy hatte ich bis jetzt auch nichts zu tun. Ja, kann sein, dass ich schon mal was von Atze Schröder gehört habe, aber …»
«Lass gut sein, Ute. Ist doch auch keksegal. Der eine interessiert sich für Autos, der andere für Kunst – und dann gibt es Gott sei Dank auch ein paar Menschen, die sich für meinen Beruf interessieren. Sonst könnte ich dir keine Bratkartoffeln servieren. Es gibt dänischen Gurkensalat dazu. Für mich ’n Pils, und für dich habe ich noch ein Malzbier, wenn du magst. Ich decke mal eben den Tisch, und dann gibt es ordentlich was auf die Gabel!»
Wir schmatzten und futterten, was die Pfanne hergab, und plauderten und lachten launig über Gott und die Welt. Nach zwei Stunden stellten wir beide fest, dass man unterschiedlicher als wir beide gar nicht sein konnte. Zum Nachtisch holte ich noch zwei dicke Magnum Mandel vom Kiosk, und danach hing der abgefütterte Babybunker satt und glücklich in meinem geliebten Fatboy-Deluxe-Sessel. Und als ich noch dachte: «Die krieg ich da nie wieder raus!», sagte Ute leicht verzweifelt: «Ich komme hier nie wieder raus!»
Ich lachte und half dem weichgewordenen Castorbehälter im Trainingsanzug mit ordentlich Schwung und Muskelschmalz wieder in die Senkrechte. Ich versprach ihr hoch und heilig, morgen alle Lampen und Bilder in ihrer Wohnung anzubringen.
Hätte ich geahnt, was ich mit meiner neuen Nachbarin und ihrem noch ungeborenen Kind erleben würde, hätte ich ihr wahrscheinlich auch nie aus dem Styroportrümmer rausgeholfen. Oder gerade.
[zur Inhaltsübersicht]
3.
Französisch für Anfänger
W enn es so etwas wie ein heiliges Ritual für mich gibt, dann ist es, täglich um 18.30 Uhr vor der Glotze zu sitzen und auf RTL die Sendung «Exclusiv» mit meiner Lieblingsschauspielerin Frauke Ludowig zu genießen. Keine kann einen Moderator so glaubwürdig nachspielen wie Frauke. Außerdem hat sie diese versteckte Erotik, die selbst ich bis zum heutigen Tage noch nicht entdeckt habe. Für mich ist diese Sendung der Gebetsteppich auf dem himmlischen Weg zum Boulevardmekka. Wo sonst erfährt man en détail, auf welchem Schulhof sich Lothar Matthäus wieder herumtreibt, wie viele Kilo Hirn Christine Neubauer bei ihren neuesten Diätabenteuern verloren hat und was Jogi Löw bei der Vorstellung seines neuen Intimdeos mit dem mystischen Namen «Jogi-Bär» alles über die Gepflogenheiten in der Umkleidekabine der deutschen Nationalelf preisgegeben hat! Keine Frage, diese Sendung darf kein mündiger und politisch interessierter Bürger auf die leichte Schulter nehmen – oder gar verpassen!
Ich saß entspannt vor dem Fernseher. Der Trainingsanzug saß perfekt, die gefütterten Crocs baumelten locker am Fuß, und der Kakao dampfte gemütlich in der Tasse. Mein RTL!
So nah waren Frauke und ich uns schon lange nicht mehr gewesen. Daher empfand ich das Klingeln an meiner Wohnungstür als rüde Unterbrechung unserer seligen Zweisamkeit.
Wütend stapfte ich zur Tür, um dem Störenfried die Hammelbeine langzuziehen, und blickte in das hanfgegerbte Gesicht meines Wohnungsnachbarn Gerd Storkenbeck alias Gomera-Gerd.
«Samma Storki» – nichts hasste er mehr, als wenn ich ihn Storki nannte –, «tickst du noch richtig? Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Was willst du?»
Er zog nur entschuldigend die Schultern hoch, zeigte mit dem Daumen hinter sich, wo Hajo und Kati schon warteten, und schlurfte in mein Wohnzimmer: «Keine Ahnung, wat die alle von uns wollen!
Weitere Kostenlose Bücher