Und dann kam Ute (German Edition)
ein bisschen zu schönen. Sie trug ihr korrektes Alter, ihre richtigen Maße und sogar ihre tatsächlichen Hobbys ein. Ich wollte nicht unhöflich sein und sie auf keinen Fall unnötig reizen – aber in meinen Augen las sich das wie eine Tragödie: «Normal aussehende 37-jährige Waldorfpädagogin, durchschnittliche Figur, Nichtraucherin mit kulturellem Interesse». Um Gottes willen, langweiliger ging’s doch nun wirklich nicht! Ich redete auf sie ein wie auf ein krankes Pferd. Was sollte dabei denn rumkommen? Das klang doch, als würde Kardinal Lehmann ’ne neue Haushälterin suchen. Ich verzweifelte fast an ihrem Mangel an Sachverstand. Vorsichtig versuchte ich ihr klarzumachen, dass Männer im Internet nicht nach dem Typ «Fräulein Rottenmeier» suchen, sondern eher ein Date mit einem Topmodel Marke «Heidi Klum» bevorzugen. Sie konterte bockig mit: «Ja, Männer wie du vielleicht!» Der Fall war hoffnungslos, und ich beschloss, die Taktik zu ändern.
«So, Ute, ich bin müde. Ich muss morgen früh raus.»
Als sie gegangen war, entschloss ich mich zu handeln. Wenn das Glück nicht von selbst an die Tür klopft, muss man die Tür eintreten. Eins war klar – so wie Ute sich beschrieben hatte, würde sich höchstens das Priesterseminar Hodenhagen bei ihr melden. Was für ein Jammer! So würde sie nie in von göttlicher Erotik durchtränkten Laken erwachen, Worte ohne Zusammenhang stammeln, um im Strom der Begierde flussabwärts gerissen zu werden. Feuchtgebiete, Shades of Grey, Lady Chatterley’s Lover. Niemals liebestrunken auf die Room-Service-Taste drücken – keine Champagnerbäder, abgerissenen Duschvorhänge, Delirien der Wollust und danach ’ne schöne Tasse warmen Nesquik. Das durfte ich nicht zulassen. Gott sei Dank hatte ich mir ihr Passwort notiert. Als ob ich geahnt hätte, dass diese Frau meinen rationalen Argumenten nicht zugänglich sein würde.
Umgehend machte ich mich an die Arbeit, schaltete meinen eigenen Computer ein und ging auf die Seite von Elite-Akademiker.de. Es wurde höchste Zeit, in Utes Profil von Schwarzweiß auf Farbe umzuschalten. Nachdem ich ihre Grunddaten etwas modernisiert hatte, tauschte ich ihr uraltes, biederes Führerscheinfoto gegen ein Bild von Heidi Klum aus. Es war leider ein Foto mit Seal, den ich aber gar nicht gebrauchen konnte – da ging es mir genau wie Heidi. Also verfremdete ich den Schnappschuss mit «Photoshop» ein wenig. Seal machte ich schwarz, und Heidis Gesicht tauschte ich durch Utes aus. Zusammen mit den High Heels und dem üppigen Dekolleté erstrahlte meine Miss Waldorf in ganz neuem Glanz. Toll.
Ich nahm mir vor, das getürkte Foto wieder gegen das alte zu tauschen, wenn sich die ersten zehn gemeldet hatten. Bis dahin würde Ute die Trickserei ja gar nicht mitbekommen, weil ich zur Sicherheit noch ein neues Passwort installierte.
Nach einer Woche hatte ich nur eine Zuschrift erhalten, und zwar vom Administrator der Partnerbörse, der mir sachlich mitteilte, dass er das Profil aufgrund unseriöser Angaben gelöscht habe. Was für ein Arschloch! Was soll bitte schön an «Riesenoberweite» unseriös sein?
Auch Ute wunderte sich, weil sie keinen Zugang mehr zu ihrer Seite bekam. «Du mit deinem Internet. Alles Blödsinn. Und überhaupt, ich such sowieso keinen. Es kommt, wie es kommt», maulte sie.
Was soll’s, wer nicht will, der hat schon … Ich war ab morgen sowieso mehrere Wochen auf Tournee und hatte dann keine Zeit mehr, Utes Liebesboten zu spielen.
Selbst an Philipps Geburtstag am 7. März konnte ich nur anrufen und dem kleinen Mann fest versprechen, bald wieder zurück zu sein. Was freute sich der Kurze, als ich ein paar Tage später wieder zur Tür reinkam! Unterwegs hatte ich ein Bobby-Car von Porsche gekauft und in Schmittis Lackbude genauso lackieren lassen wie meinen: RS-Orange, mit schwarzen Streifen und einer weißen 94 auf der Tür. Freude pur, alles richtig gemacht: Der Bengel schnappte sich das Dingen und stieg die nächsten drei Tage nur noch zum Schlafen ab. Zahleiche Opfer säumten seinen Weg: Flöcki wurde mehrfach frontal über den Haufen gefahren, Kati konnte eine Woche nicht arbeiten gehen, weil ihr der kleine Geisterfahrer im Hausflur über die frisch pedikürten Zehen gebrettert war. Kein Mitleid! Wer läuft auch im März barfuß durch das Treppenhaus?
Auch Ute sah gut aus und strahlte über das ganze Gesicht. Ich sagte: «Na, meine kleine anthroposophische Tulpenzwiebel, was siehst du so hübsch erblüht
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