Und dann kam Ute (German Edition)
– ist das nicht das größte Abenteuer von allen? Es geht doch um Liebe und Erfüllung. Du redest von den Fesseln der Liebe, dabei hast du doch nur Angst, von der Liebe gefesselt zu werden. Ist ja auch uncool – und cool sein war dir ja schon immer am wichtigsten. Tja. Mir waren die Mutigen immer lieber als die Coolen. Ich grüß dann mal André von dir.»
Sie ließ mich stehen, und ich nickte ein letztes Mal anerkennend ihrem immer noch phantastischen Hintern hinterher. Dann ging ich mit Philipp nach Hause. Tina, tolle Frau … wenn man Schreiner ist. Und Ute nicht kennt.
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11.
Weihnachten mit Boxenluder
S omewhere over the rainbow», brüllte es neben mir an der Ampel ohrenbetäubend laut aus dem halboffenen Fenster des tiefergelegten 3er-BMW. Herrlich, wenn Klischees einfach ungefiltert auf die Wahrheit treffen. Vier amtliche Gelhaar-Spackos ohne erkennbare Kernkompetenzen außer Rauchen und Spucken grölten aus vollem Hals den Nummer-1-Hit des dicken Hawaiianers mit der Ukulele, ohne auch nur ein Wort dieses wunderschönen Liedes zu verstehen. «Samm-wer owah sö räinboh …», blökten sie munter mit.
Es war Dezember 2010, und die gefühlvolle Nummer war auf Platz 1 der Charts, passend zur Weihnachtszeit. Ich war auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken für zwanzig meiner engsten Freundinnen. Ich verhandelte hart mit der Geschäftsführerin von Douglas.
«Vanessa, du darfst privat nicht mit geschäftlich verwechseln. Natürlich liebe ich nur dich – das ist aber kein Grund, beleidigt zu reagieren, nur weil ich Rabatt auf zwanzig Flaschen ‹Ed Hardy Woman› möchte. Ich hab es dir doch jetzt zigmal erklärt, dass es für die Schulklasse meiner Nachbarin ist. Für dich hab ich dieses Jahr was ganz Besonderes, mein Engel!»
Vanessa blieb völlig unbeeindruckt, fast sogar etwas unterkühlt. «Ich mach Schluss. Es ist Feierabend, endgültig aus. Ich lass mich nicht länger von dir verarschen!»
Ich ignorierte die alte Leier und bezahlte den vollen Preis.
Es war sowieso viel wichtiger, ein adäquates Heldengeschenk für den Sonnenschein der Kurt-Schumacher-Straße 10 zu finden. Der kleine Philipp war jetzt ungefähr zwei Jahre, neun Monate und neun Tage alt. Alle in unserem Haus waren verrückt nach diesem kleinen Pampers-Bomber. Keiner konnte sich seinem unwiderstehlichen Charme entziehen. Wenn der quirlige Lockenbuddha einen mit seinen blauen Augen und den süßen Grübchen anstrahlte, konnte sogar Gomera-Gerd nur noch resigniert feststellen: «Mein Gott, ist der Typ crazy. Heftig, Alter.»
Auch Kati zeigte unerwartete Muttergefühle, worauf Hajo mich neulich im Treppenhaus zur Seite nahm und umständlich fragte – nur für den theoretischen Fall, dass man sterilisiert wäre –, ob man das wohl wieder rückgängig machen könne.
Selbst Flöcki, der bissige Jack Russell, wurde ganz friedlich und lammfromm, sobald Philipp sich näherte. Der Kleine durfte ihm ungestraft ins Maul fassen und den Ball wegnehmen. Er ließ sich sogar vergnügt von dem Kleinen am Schwanz durchs Haus ziehen. Ute konnte sich jedenfalls über mangelnde Babysitterangebote nicht beklagen. Auch ich hatte mit Philipp schon so manche Leberwurststulle verputzt, wenn Ute Klassenarbeiten korrigierte oder zu einer Zeugniskonferenz musste. Am Anfang weinte er immer noch, aber nach einigen Wochen hatte er sich an den Anblick von Frauke Ludowig gewöhnt. Sogar «Mein RTL» konnte der Bengel schon sagen. Die musikalische Früherziehung machte ebenfalls große Fortschritte. Ohne «Smoke on the water» in der «Made in Japan»-Version weigerte er sich, den allabendlichen warmen Kakao zu trinken. Ein Prachtbursche.
Nur Ute machte mir ein bisschen Sorgen. Sie sah oft müde aus und hatte ziemlich abgenommen. Ihre privaten Aktivitäten beschränkten sich auf gelegentliche Besuche ihrer Freundinnen. Sie selbst konnte sich nicht aufraffen, mal auszugehen oder etwas anderes zu unternehmen.
Bevor ich zum Geschenkekaufen in die Stadt gefahren war, hatte ich bei einer Tasse Kaffee in ihrer Küche mit ihr darüber gesprochen. «Mädchen, du musst mal unter die Leute. Tanzen, ins Kino, Theater. Wann warst du eigentlich das letzte Mal mit ’nem Kerl unterwegs?», hatte ich gefragt.
«Wieso? Wir beide waren doch letzte Woche noch bei ‹Dimi› essen!»
«Das zählt nicht! Du bist ja fast über deinem Schafskäsesalat eingeschlafen. Der Kleine hatte seinen Delphiteller ja schneller leer, als du deine Bionade kauen
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