Und dann kam Ute (German Edition)
Berlin weilen, sind sie automatisch Gäste des Kultusministeriums und sollten im Adlon untergebracht werden. Ich sage ausdrücklich – sollten!
Denn natürlich weiß im Kultusministerium keine Sau mehr, dass es diese drei Apartments überhaupt noch gibt. Als unser ehemaliger Kulturstaatsminister Dr. Michael Naumann 2006 die Schnauze voll von diesem Chaotenhaufen hatte, verschwand bei der Renovierung seines Büros die entsprechende Adlon-Akte – mit allen Unterlagen, Daten und Reservierungsnummern dieser Luxussuiten. Um genau zu sein: Eine anständige Putzkraft hatte ihre vierjährige Tochter mit zur Arbeit genommen. Es kam, wie es kommen musste: Die Kleine bekritzelte aus Versehen und aus Langeweile mit Filzstiften die Rückseiten dieser geheimnisvollen Akte. Um die Putzfrau zu schützen, nahm eine Mitarbeiterin des Ministeriums die Unterlagen mit nach Hause. Zufälligerweise ist diese Mitarbeiterin die Schwester meines alten Kumpels Bert F., der ein dickes Tier in der Berliner Kulturszene ist. (Name von mir geändert, ich will hier keinen reinreißen.)
Als ich 2007 zum ersten Mal für einen längeren Zeitraum ein Zimmer in Berlin brauchte, rief ich natürlich Bert an. Der Rest war nur noch Formsache. Ich bekam alle notwendigen Daten für die Suiten im Adlon. Das muss man sich mal vorstellen: das Adlon, die feinste Adresse Berlins. Herberge der Fürsten, Präsidenten, Stars und Sternchen. Wo selbst Michael Jackson seinen Sohn aus dem Fenster gehalten hatte, damit er Berliner Luft schnuppern konnte. In diesem dauerbelegten Edelbunker hab ich seit Jahren für mich und gute Freunde drei Luxusapartments zur freien Verfügung.
«Herr Schröder, wie schön, dass Sie mal wieder bei uns sind! Welches Zimmer darf es diesmal sein? Die Eins, die Zwei oder die Drei?» Formvollendet, aber mit einem feinen Lächeln um die Mundwinkel begrüßte mich der Empfangschef an der stilvollen Rezeption. Belustigt zwinkerte ich zurück.
«Welches ist denn frei?»
«Zufällig sind alle drei zurzeit nicht belegt, Herr Schröder. So ein Glück, suchen Sie sich eins aus.»
Ich nahm Zimmer 3, von mir die «Pussy-Galore-Suite» genannt. Wer das nicht versteht, hat keinen Kultursachverstand und sollte sich schleunigst «Goldfinger» angucken. In der Mitte des Schlafzimmers steht ein dreieinhalb mal drei Meter großes herrliches Kingsize-Double-Deluxe-Royal-Bett mit einer Neunzehn-Zonen-Latex-Biokaltschaummatratze und einem Lattenrost aus edelstem Rio-Palisander. Die Bettvorleger sind vom berühmten Sockenhersteller Falke gewebt – damit man auch barfuß das wohlige Gefühl hat, in feinsten Angorasocken zu laufen. Kurzum: Die Bude ist eine Sensation und jeden nicht gezahlten Pfennig mehr als dreimal wert.
Ich warf mich auf das bequeme Ledersofa, nahm mir einen edlen Mümmelmann-Jagdbitter aus der Minibar und stellte zufrieden fest, dass mich das Fell juckte. Ich zückte mein Telefonbuch und suchte unter «E» wie Eskalation. Hmm … die Qual der Wahl! Ich klappte mein Telefonbuch wieder zu und entschied mich gegen die erfahrenen Stammspielerinnen. Ich wollte dem Berliner Nachwuchs eine Chance geben. Nicht umsonst hatte ich einen fabelhaften Ruf als Talentscout. Viele lernbegierige junge Männer fragen mich oft: Wo findet denn ein erfahrener und mit allen Wassern gewaschener Casanova verständnisvolle Klassefrauen, die sowohl trösten als auch exquisit lieben können? Edle Geschöpfe, die auch mal seriöse Fragen beantworten? In einer angesagten Szenebar? Im coolsten Club der Stadt? Bei Udo Walz unter der Trockenhaube?
Ein klares Nein! Auf keinen Fall! Das ist was für Amateure und Männer, die nur an sich denken, anstatt das Herz einer Frau zu berühren. Die Sache ist ganz klar: Wer auf der Suche nach einem echten Abenteuer ist, für den gibt es in Berlin nur eine ernstzunehmende Adresse – die Feinkostabteilung im KaDeWe, dem Kaufhaus des Westens! Der einzige Konsumtempel mit Flirtfaktor zehn. In keinem anderen europäischen Einkaufszentrum gibt es eine höhere Verweildauer pro Kunde als im KaDeWe. Was nicht wirklich verwundert, denn benebelt und betäubt von exotischen Düften, hingerissen von extravaganten Designerroben und erotisiert von bezaubernden Luxuspumps, erholen sich die geschmeidigen Modeantilopen an den Tränken und Edelbuffets im sechsten Stock. Und wer erwartet sie dort mit Kultur und Stil? Richtig! Der König der Löwen.
Ich saß am berühmten «Fischkutter» und ließ mir meine Dorade schmecken. Dazu ein frisches
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