Und dann kam Ute (German Edition)
Kifferkissen und pfiff mir drei dicke Züge in die Lungenflügel. Gerd blickte mich mitfühlend an und sagte nur: «Sorry, ich hab alles gehört. War ja auch nicht zu überhören. Ist es so heftig, Alter?»
«Yo, Gerd. So richtig heftig, Alter.» Ich nahm noch einen tiefen Lungenhieb. Ungerührt holte er aus seinem Goa-Holzkästchen einen neuen Jolly, rauchte ihn an, setzte sich neben mich und legte seinen Arm um meine Schulter: «Heftig, Alter.»
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13.
Nix wie weg
I ch lag noch völlig benebelt in der Wanne und versuchte mir den gestrigen Tag aus den Knochen zu baden. Irgendwann hatte mich Gerd ins Bett gebracht, aber ich hatte keinen Schlaf gefunden. Warum war ich nur so eifersüchtig auf Heiko? Weil er ein Arschloch war? Oder weil ich für Ute mehr empfand als nur Freundschaft? Ja, ich fand sie hübsch. Klug. Und anstrengend eigensinnig. Sie war so ganz anders als meine üblichen Spielgefährtinnen. Sie war nämlich eben genau das nicht: Mit ihr konnte man nicht spielen. Was war das bloß mit uns beiden? Wir wurden immer wieder wie von einem starken Magneten zueinander hingezogen … aber wenn wir uns zu nahe kamen, stieß uns dieselbe Kraft wieder voneinander fort. Und jetzt sollte Heiko Müller … ich erschauerte und verbot mir weitere Bilder und Gedanken. Was für ein Elend. Wie sagte Andi Brehme einst so treffend: «Hast du Scheiße am Fuß, hast du Scheiße am Fuß!»
Das Radio spielte «Everything I do» von Bryan Adams, und ich konnte mich in der Badewanne noch nicht mal wehren. Das Radio lag außerhalb der Reichweite der Wanne, und ich verspürte keine Lust, mein wärmendes Fruchtwasser wegen der widerlichsten Ballade der Welt zu verlassen. Da kann man doch auch «Heaven» spielen? Oder «Bed of Roses»? Nach dem zweiten Refrain hatte ich die Schnauze voll von dem Gesülze. Ich griff nach der Shampooflasche und donnerte sie Richtung Radio. Treffer.
Die Stille danach war noch weniger zu ertragen. Ich tauchte unter und überlegte, ob ich überhaupt noch mal auftauchen sollte. Dann wurde die Luft knapp, und ich entschied mich fürs Weiterleben.
Überhaupt war die Sache plötzlich völlig klar: Ich würde abhauen. Wenn ich nur daran dachte, im Hausflur Heiko und Ute zu treffen, drehte sich mir der Magen um. Am besten noch mit Philipp an der Hand. Was wollte der Primat denn meinem Jungen beibringen? Höhlenmalerei? Wie man ein sexsüchtiger Versager wird, der die Frauen nur verarscht? Ich stellte mir vor, wie Heiko mit seiner versifften Swingerflöte eine leichtgläubige Waldorftorte verzierte, während im Kinderzimmer nebenan mein kleiner Philipp unschuldig in seinem Bettchen schlief. Hatte ich all die Strapazen der Geburt auf mich genommen, um jetzt so gedemütigt zu werden? Mein Entschluss stand fest: Ich musste hier weg. Nach Berlin. Mitten in die Ursuppe. In die Hauptstadt des Wahnsinns. Gegensätze werden in Berlin großgeschrieben. Von Rolf Eden bis George Clooney, alle da. Von Politik bis Pop, alle da. Wiener Schnitzel mit Joschka Fischer im «Ottenthal» oder mit Peter Fox an der «Curry 36», alles drin.
Ich packte meinen Koffer, schmiss meinen Wohnungsschlüssel bei Gerd in den Briefkasten und legte einen Zettel dazu: «Hi Gerd. Musste weg, ging nicht anders. Bring bitte die Post rein, und wenn was Wichtiges ist, ruf einfach an. Danke für gestern Abend, Atze.»
Über die A2 bretterte ich mit verantwortungsbewussten 234 Stundenkilometern Richtung Osten. Langsam schüttelte ich den Blues mit einer ordentlichen Portion Deep Purple ab. Jeder Kilometer, den meine dicken Pellen fraßen, verbesserte meine Laune. Ich konnte die Berliner Bären schon riechen.
Es war Frühling in unserer Hauptstadt. Grüne Bäume, heiße Pflaster und an jeder Ecke eine Party. So kenne ich Berlin, mein geliebtes Berlin. Aber wo pennen? Am besten in einem der zahlreichen Fünf-Sterne-Bunker. Schließlich hat keine europäische Hauptstadt mehr Luxushotels als Berlin. Es gibt dort mehr als 27 von diesen Edelburgen, und wenn man es richtig anstellt, residiert man sogar billiger als in einer Jugendherberge. Für mich gab es nur einen Laden: das Adlon – natürlich das Adlon.
Im Adlon gibt es drei großzügig geschnittene Apartments, die für die Gäste des Kultusministeriums unserer Bundesregierung ganzjährig reserviert werden. Will sagen: Wenn bedeutende Künstler wie Nigel Kennedy, David Hockney, José Carreras, Montserrat Caballé, Steven Spielberg, Georg Baselitz oder Umberto Eco in
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