Und dann kam Ute (German Edition)
«Ohnsorg-Burka»-Kollektion vorsichtig die Treppe runter. In der Tiefgarage schmiss ich die Hose samt Tüte in den nächsten Mülleimer und behielt nur die Telefonnummer von Jeanette, der Verkäuferin. Sie war wirklich sehr beeindruckt, als sie mir beim Anprobieren in die Hose half. Allerdings war mir bei der Aktion fast schlecht geworden, weil ich beim Baucheinziehen dermaßen die Luft angehalten hatte, dass mein Hirn minutenlang nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wurde. In dieser Form und Verfassung konnte ich mich unmöglich im Orion-Erotikshop blickenlassen, um eine richtige Badehose zu erstehen.
Völlig außer Atem saß ich im Recaro-Schalensitz meines Sportwagens. Die bittere Erkenntnis überwältigte mich: Ich bin zu dick! Ich muss abnehmen! Ab morgen mache ich Diät!
Eine tonnenschwere Last fiel von meinen Schultern. Ich konnte die Joggingschuhe an meinen Füßen schon fast riechen. «New York Marathon»-Gewinner, diese Trophäe würde sich unheimlich gut neben dem Fernsehpreis und der «Goldenen Kamera» auf meinem Gewürzbord in der Küche machen. Während ich mich im Geiste schon auf der Brooklyn Bridge an Robert De Niro vorbeiziehen sah, hörte ich in meinem Autoradio «Westernhagen» grölen: «Dicke schwitzen wie die Schweine, stopfen Fressen in sich rein!»
Verärgert schaltete ich das Radio aus und rollte gemächlich nach Hause. Wen konnte ich um Rat fragen? Als alter Fuchs und Stratege wusste ich: Die besten Tipps für Wellness, gutes Styling und heiße Flirts findet man selbstverständlich in der einschlägigen Fachliteratur. Petra , Cosmopolitan , Glamour , Für Sie – und natürlich im altehrwürdigen Flaggschiff der Frauenmagazine, der Brigitte .
Ja, wer die wunderbare Spezies Frau und die geheimnisvolle Welt, in der sie lebt, wirklich durchschauen will, der darf nicht vor der Lektüre dieser Magazine zurückschrecken. Starrsinn, männliche Eitelkeit und Ignoranz sind die schlimmsten Vergehen auf dem Pfad zum Verständnis des weiblichen Geschlechts. Ein richtiger Mann muss die Intelligenz, die Individualität und Intuition einer Frau nicht nur akzeptieren, sondern auch noch fördern und unterstützen. Wir Männer müssen Frauen auf Augenhöhe begegnen, sonst werden wir sie nie begreifen. Nur so kann eine starke Löwin auch mal wie ein Siamkätzchen auf dem Sofa an der Heizung liegen und wohlig vor sich hin schnurren. Ab und zu muss man sie natürlich auch mal richtig durchbumsen, sonst kriegen sie Kopfschmerzen.
Ich stand also im Edeka vor dem Zeitschriftenregal und musterte die verschiedenen Publikationen. Es war die Brigitte , die meine Aufmerksamkeit erregte: «Zehn Kilo in vierzehn Tagen! So klappt es wirklich!» Großartig! Genau das, was ich gesucht hatte. Allerdings würde ich das Ganze in einer Woche durchziehen, ich war ja schließlich keine Frau. Ich würde erbarmungslos und unnachgiebig gegen mich selbst vorgehen. Kalter Entzug, inklusive «Cold Turkey». Ich würde Ute bitten, mich ans Bett zu fesseln und mir einmal täglich eine Schale lauwarmes Zitronenwasser einzuträufeln. Ja, Zitronenwasser. Gegen Skorbut. Ich wollte ja nicht auch noch meine Zähne verlieren.
Zufrieden mit mir und der Welt, schmiss ich die Zeitung in den Einkaufswagen. Wenn ich schon mal da war, konnte ich praktischerweise auch gleich einkaufen. Ernährungsumstellung hieß das Zauberwort. Adieu, ihr geliebten Leberwurstbrote! Vive la révolution! Ich sage nur: Salat, Salat, Salat! Ja, natürlich! Hat man schon mal ’ne fette Ziege gesehen? Na also. Wie im Rausch füllte ich den Wagen. Es zählten nur Qualität und feinste Zutaten: handgepflückter Feldsalat von «Bioland», Radieschen aus Freilandhaltung und ein paar leckere deutsche Cremechampignons. Voilà! Geht doch!
Vor unserer Haustür traf ich Ute. Ihr Blick fiel sofort auf meinen Einkaufskorb. Sie fragte belustigt: «Hast du jetzt ein Meerschweinchen, oder ist deine neueste Eroberung Vegetarierin?»
«Tja, Ute, ob du meine nächste Eroberung wirst, kann ich natürlich noch nicht sagen, aber ich hatte vor, uns beiden heute Abend mal was Leckeres zu kochen … und da hab ich mir gedacht: Die Ute hat recht, es muss nicht immer Fleisch sein. Um halb neun wird gegessen, bring das Babyphon einfach mit.»
Madame war begeistert von meiner Charmeoffensive und sagte spontan zu. In den nächsten Stunden war ich mit den Vorbereitungen für unser Dinner beschäftigt. Kerzen, Tischdecke, schöne Musik, schwere Kristallgläser und aus alter
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