Und dann kam Ute (German Edition)
Antonio! Ja, ich weiß, dass es halb zwölf ist. Bringt ihr mir bitte noch ’ne große Pizza Salami? Ja sicher, ’ne große. Nein, keinen Salat dazu, lieber doppelt Käse. Zehn Minuten? Alles klar, ich mach dann auf.»
Eine halbe Stunde später lag ich mit fettverschmierten Fingern, völlig überfressen, aber satt und müde in den Federn. Während ich langsam in den Schlaf fiel, kam mir noch eine wichtige Erleuchtung: Abnehmen – gut und schön, aber doch bitte nicht mit der Brechstange, sondern mit Sinn und Verstand. Morgen fang ich an.
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18.
Wann ist ein Mann ein Mann?
D er Radiowecker kannte kein Erbarmen: «Wann ist ein Mann ein Mann?», knödelte mein Freund Herbert aus dem viel zu kleinen 4-Zoll-Lautsprecher meines alten «Grundig» Sleepomatic SL 45. Gute Frage, Herr Grönemeyer. Dass ausgerechnet dieser manchmal leicht moppelige Ruhrpottbarde von Männern singt, ist allein schon der Witz an dieser willkürlichen Zusammenfassung heiterer Feststellungen. Ich finde das Lied klasse, mittlerweile ist es ein Schlagerklassiker. Einer seiner besseren Texte. Hartmut Engler von «Pur» wäre von den Kritikern für dieses Werk gelyncht worden, aber der hat ja auch nicht mit fettigen Haaren im «Boot» mitgeschwitzt. Es gibt halt feine Unterschiede.
Die ganze Bude roch erbärmlich nach Pizza, und die Bettdecke verzierte ein munteres Potpourri aus Olivenöl und Salamifett. Angewidert von meiner nächtlichen Fressattacke, schwang ich mich in meinen sechs Jahre alten «Shamp»-Jogginganzug, der diese Wohnung noch nie verlassen hatte. Schon gar nicht zum Joggen. Doch mit dem ewigen Schlendrian war jetzt Schluss. Ich würde meinen inneren Schweinehund, diesen Bastard, endgültig killen. Das Ziel war klar definiert: Ich würde meinen maroden Körper in eine stahlharte Todesmaschine modellieren und danach im Triumphzug Prinzessin Ute erobern, um sie dann nach allen Regeln der Kunst zu verführen. Sie würde auf allen vieren durch die Essener Fußgängerzone krabbeln, um der Welt glückselig mitzuteilen, dass ihr der Messias der Wollust im Körper von Adonis Schröder erschienen sei. Ich machte mir eine große Tasse Nescafé mit viel Milch und zwei rohen Eiern. Dann legte ich «Rocky 1» in den DVD-Player, spulte bis zur berühmten Treppenszene vor und rannte im Geiste mit Sly Stallone diese elendig lange Treppe hoch, während ich mich rasierte. Aber wo sollte ich tiefgekühlte Schweinehälften zum Trainieren herkriegen? Wäre es vielleicht besser, für ein halbes Jahr in Philadelphia zu logieren, um die Originaltreppe zu benutzen? Ach, scheißegal. Es gab Dringenderes zu regeln. Ich rief in meiner Agentur an, um mit Töne, meinem verständnisvollen Freund und Manager, zu sprechen: «Töne, pass auf, ich brauche heute noch einen Boxerbademantel aus Satin. Hinten soll in dezenten Neonfarben und gut leserlich ‹The Westfalian Stallion› aufgestickt sein. Außerdem brauch ich einen Fight. Buch mal die Porsche-Arena und fordere Henry Maske heraus, den Gentleman-Boxer … Töne? Töööne! Hallo? Bist du noch dran?»
Der Sack hatte einfach aufgelegt. Hat ja auch ’ne Menge um die Ohren. Was soll’s? Eile mit Weile. Erst mal trainieren.
Augenblicklich spürte ich, wie ein Ruck durch meinen Körper ging. Ich bildete mir ein, dass ich ein wenig aufrechter stand als sonst. Wo, verdammt noch mal, gab es hier in der Ecke ein Fitnesscenter, das meinen Ansprüchen an erstklassige Geräte, absolute Sauberkeit und qualifiziert geschultes Personal entsprach? Ich googelte kurz «bestes Fitnessstudio Essen», und die Sache war klar: Ab ins McProfi-Fit – das Studio für gehobene Ansprüche.
Zehn Minuten später stand ich an der sandsteingekachelten Rezeption dieses Luxusclubs. Sanfte Pastelltöne schufen schon im Empfangsbereich eine wohlige Atmosphäre. «Ah, das ist schön, Herr Schröder, dass Sie mal bei uns vorbeischauen. Der Martin wird sich gleich um Sie kümmern. Nehmen Sie doch noch einen Moment Platz. Darf ich Ihnen einen Fruchtcocktail anbieten, oder hätten Sie Lust auf einen Müslikraftriegel?»
Ich kochte vor Wut. Wo waren die verdammten Schweinehälften? Stattdessen stakste diese huschige Rezeptionistin um mich herum wie ein aufgescheuchter Flamingo. Es roch nicht nach ehrlichem Männerschweiß, sondern wie bei Douglas. Müslikraftriegel! Was denn noch? Nach dem Sport geht ein echter Mann an die Theke und bestellt ein Pils mit Frikadelle und Senf! Ehe ich mich noch weiter aufregen konnte,
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