Und dann kam Ute (German Edition)
singt, schläft die Kleine sofort wieder.» Ihr Kopf verschwand wieder unter der Bettdecke. Ich zog sie wieder hoch.
«Hömma, dein Mann liegt auch nebenan? Das ist doch krank! Und was ist, wenn der uns hört?»
«Der hört uns nicht. Jetzt stell dich nicht so an, wir sind doch hier nicht im Streichelzoo! Gib Gas, ich will Spaß!»
Wenn sie nicht so scharf gewesen wäre, dann … ich versuchte mich zu konzentrieren. Aber irgendwie hatte sich meine Lust in Luft aufgelöst. Die ganze Nummer hier war doch völlig absurd und infam! Da rief es wieder aus dem Babyphon: «Mama, Mama!» Nach drei Sekunden ertönte eine tiefe Männerstimme aus dem Gerät und fing schief an zu singen: «Schnäääflöckchen, Weißröckchen, kommst du gäääschneit.»
Ich verließ fluchtartig das Haus.
[zur Inhaltsübersicht]
21.
Der weiße Hai
A m nächsten Morgen wachte ich zu Hause in meinem Bett auf und duschte mir den Ekel aus den Knochen. Ich fühlte mich so benutzt, so schmutzig! Was war das nur für eine Welt! Ich bin nun wirklich kein Kind von Traurigkeit, aber sich einen wildfremden Mann ins Bett zu holen, während Kind und Mann nebenan schlafen? Wo kommen wir denn da hin? Wo bleibt da die Moral? Das ist rein fachlich gesehen nicht in Ordnung. Da steig ich aus. Ich fühlte mich niedergeschlagen und alt. Jedenfalls zu alt für solche Spielchen. Sollte ich nicht mal langsam mit der Hasenjagd aufhören und bedeutende Kunst des 20. Jahrhunderts sammeln? Oder einen hochseriösen Tierfilm über das Paarungsverhalten des Tasmanischen Teufels drehen, der bei irgendeinem Independent-Filmfestival in Cannes alle kulturell wichtigen Nebenpreise abräumt? Einen 911 mit Tiptronic fahren? Ich fragte mich ganz im Ernst: Wie lange wollte ich noch da draußen auf rauer See meine verschwenderischen Beutezüge abfeiern? Sollte ich mir nicht mal einen schönen Hafen suchen und mit einer schönen und klugen Frau wie Ute an meiner Seite das Leben genießen? Ich war in der zweiten Halbzeit meines Lebens – Gott sei Dank war ich noch aufgestellt und bei bester Gesundheit auf dem Platz. Aber wie lange würde der Leitwolf sich noch behaupten können, bevor er sich einsam und alleine zurückziehen musste? Konnte der alte Wolf das Jagen lassen? Und was war, wenn Ute mich gar nicht haben wollte? Ich konnte doch nicht nach all dem, was gelaufen war, zu ihr gehen und sagen: «Ich liebe ab jetzt nur noch dich und nehme mir ganz fest vor, dass das eventuell auch so bleibt!» Nein, nein. So brauchte ich einer Klassefrau wie Ute nicht zu kommen. Warum war ich Idiot nach unserer Liebesnacht bloß abgehauen? Meine Haut kribbelte wie verrückt, wenn ich an diese Stunden der Liebe dachte … an ihren Geruch, ihre Lippen, unsere Leidenschaft. Aber das war eben nur die eine Seite der Medaille. Verantwortung, bedingungsloses Vertrauen und Liebe für eine Partnerin und ein Kind standen drohend und übermächtig einschüchternd auf der anderen.
Was sollte ich tun, was lassen? Quo vadis, Schröder? Ich fühlte mich wie der alte Tengelmann und das Meer. Noch stark genug, um den großen Schwertfisch mit der Angel aus dem Wasser zu ziehen, aber zu müde, um jeden verdammten Tag rauszufahren, um es wieder und wieder zu tun.
Ich versuchte die trüben Gedanken zu verdrängen und plante erst einmal ein paar Dinge, die ich zwischen Weihnachten und Anfang Januar tun wollte. Ich verordnete mir ein individuelles Kulturprogramm ohne libidinöse Aufregungen. Ein paar Kumpel besuchen und vor allem: wann immer es ging, mit Ute und Philipp etwas unternehmen. An Weihnachten waren die beiden bei Oma Maria in Bremen gewesen, deswegen kam ich erst eine Woche später dazu, mein Weihnachtsgeschenk einzulösen: ein Tag am Meer! Beziehungsweise ein Wochenende im «Center Parc Hochsauerland» in Medebach. Ich war begeistert von meiner Geschenkidee und sah uns alle schon quietschfidel die große Wildwasserrutsche runtersausen. Oder mich und Ute ganz allein mit einer Flasche Schampus im Mitternachtsdampfbad … ein Küsschen hier, ein Küsschen da … ja, das würde mir wohl gefallen. Ute hoffentlich auch. Vielleicht war das eine gute Möglichkeit, Wunden der Vergangenheit gemeinsam zu verarzten und zu pflegen. Ich wurde regelrecht euphorisch bei dem Gedanken daran, dass ich mit dieser Aktion leichtsinnig verspieltes Territorium charmant zurückerobern könnte.
Ich rasierte mich schnell, schnappte mir das Tablett mit dem Kuchen, den ich morgens beim Bäcker gekauft hatte, und wollte
Weitere Kostenlose Bücher