Und dann kusste er mich
Tausende von Lichterketten«, erzählte Ellie, während wir uns einen Weg durch den Irrgarten suchten. »Das ist wirklich ein magischer Ort, finde ich.«
Im Verlauf der letzten drei Jahre waren wir an den unterschiedlichsten Veranstaltungsorten gewesen, doch so etwas wie das hier hatte ich noch nie gesehen. Die hohen Mauern vermittelten ein Gefühl von Abgeschiedenheit und Sicherheit, und ich fühlte mich, als hätte ich meinen eigenen geheimen Garten gefunden. Im Weitergehen spürte ich immer wieder Charlies Blicke auf mir, wenn er glaubte, ich würde es nicht merken. Wren, der das ebenfalls auffiel, sah mich mit hochgezogenen Brauen an.
Schließlich führte uns Ellie in das große weiße Festzelt, wo wir am nächsten Tag zum Nachmittags- und Abend empfang spielen würden. Wren und ich stießen beide einen Schrei des Entzückens aus, als wir an der Zeltdecke Hunderte winziger weißer LED-Lämpchen entdeckten, die wie Sterne funkelten. Alles im Inneren des Pavillons war weiß: Tischdecken, Stuhlbezüge, Kronleuchter und sogar die Tanzfläche, die mit einem Vorhang abgeteilt war. Die Gesamtwirkung war atemberaubend – schlicht, aber elegant und voller Magie.
»Heute Abend findet hier kein Event statt«, sagte Ellie. »Sie haben also beim Aufbau freie Hand. Wenn Sie Hilfe beim Entladen benötigen, rufen Sie mich einfach. Bis um sechs Uhr sind genügend Hilfskräfte da. Ich zeige Ihnen jetzt noch rasch Ihre Unterkunft, und danach können Sie tun, wozu Sie Lust haben.«
Es geschah nicht oft, dass man uns eine Unterkunft zur Verfügung stellte, aber da Charlies Familie unser Auftraggeber war, wurden wir verwöhnt. Einen Tag vor dem Auftritt den Bühnenaufbau und einen Tag danach den Abbau machen zu können, war ein echter Luxus; und so versprach es, ein extrem entspanntes Wochenende zu werden. Es war herrlich zu wissen, dass wir nach dem Auftritt nicht sofort zusammenpacken und zu einer unmöglichen Zeit abreisen mussten.
Wir erhielten eines der hübschen umgebauten Gäste-Cottages, und bis wir uns eingerichtet hatten und der Wasserkessel auf dem Herd stand, waren auch Jack, Tom und Sophie eingetroffen, jubelnd vor Freude über die luxuriöse Unterkunft. Ich freute mich, dass Sophie mal wieder dabei war – eine Last-Minute-Überraschung von Charlies Eltern, die Jacks Freundin sehr mochten und spontan zu der Hochzeit eingeladen hatten.
»Unglaublich, dass wir hier wohnen dürfen und obendrein noch bezahlt werden!« Strahlend warf sich Jack in einen der breiten Sessel und kickte seine Schuhe weg. »Ich finde, wir sollten nur noch solche Gigs machen.«
»Träum weiter«, gab Sophie zurück und warf ihm ein Kissen an den Kopf. »Ihr braucht einfach Auftritte, Punkt.«
Tom setzte sich im Schneidersitz auf den weichen Teppich vor dem offenen Kamin. »Stellt euch vor, wie unsere Unterkunft erst bei dem Millionärs-Gig ausgesehen hätte!«
Mit einem Aufschrei duckte er sich, als daraufhin ein Bombardement aus Kissen, Mänteln, Jacken und einem von Jacks Schuhen auf ihn niederprasselte.
»Das ist die Strafe, weil du uns an etwas erinnerst, woran wir nicht erinnert werden wollen«, sagte Wren streng. »Jedenfalls haben wir jetzt diesen Gig, und ich habe die Absicht, ihn total zu genießen.«
Tom räusperte sich und nickte in Charlies Richtung. »Schon gut. Ich verneige mich vor deinen erstklassigen Buchungsfähigkeiten, Chas.«
Charlie machte eine Verbeugung: »Ich fühle mich geehrt, oh du großer Musikus.« Als er sich wieder aufrichtete, fing er meinen Blick auf und zwinkerte mir zu. Mir wurde schwummerig zumute, und die Temperatur im Raum schien plötzlich extrem anzusteigen. Ich brauchte dringend frische Luft – sofort.
Zum Glück übertrumpften sich Wren und Sophie gerade gegenseitig mit Lobgesängen auf das Cottage und das gesamte Anwesen, was die Jungs sichtlich erheiterte, so dass ich mich unbemerkt davonstehlen konnte. Ich zog die schwere Eichentür auf, trat in den lauen Spätnachmittag hinaus und atmete die süße nach Geißblatt duftende Luft ein, als ich über den Innenhof zum Zaun ging. Ich lehnte mich entspannt dagegen und blickte über den ausgedehnten Park zu der alten Abtei hinüber, die stolz und erhaben in der Ferne aufragte.
Zum ersten Mal überkamen mich an diesem Tag nagende Zweifel, deren Ursache ich mir nicht erklären konnte. Charlies merkwürdiges Verhalten trug erschwerend seinen Teil zu diesem Wust an widersprüchlichen Gedanken bei, und ich brauchte einen klaren Kopf, um nachdenken zu
Weitere Kostenlose Bücher