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Und dann kusste er mich

Und dann kusste er mich

Titel: Und dann kusste er mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dickinson Miranda
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Festzelt standen, war klar, dass sie mich als Teil der Familie betrachteten – und das freute und ängstigte mich gleichermaßen.
    Um zwei Uhr begann die Trauungszeremonie in dem wunderschönen Glashaus. Der ganze Raum war mit weißen Orchideen, Rosen und Gardenien geschmückt: Sie quollen aus Blumenkübeln, rahmten Türen ein und waren mit weißen und blassgoldenen Bändern am Ende jeder Sitzreihe festgebunden. Da unsere musikalischen Dienste für die Trauung nicht erforderlich waren, saßen Wren, Sophie, Jack, Tom und ich in den Sitzreihen auf der Seite der Braut und reckten die Hälse, um das Streichquartett zu beobachten, das ein schönes Set aus Hochzeitsklassikern spielte: Bachs Air-Suite Nr. 3 , Vivaldis Largo aus dem Winter der »Vier Jahreszeiten«, Debussys Clair de Lune , das Menuett aus Boccherinis Streichquintett und ein weiteres Stück, das eine hitzige Debatte zwischen uns auslöste.
    »Das ist Grieg«, flüsterte Tom.
    Wren schüttelte den Kopf. »Nein, ich tippe auf Händel.«
    Tom verzog das Gesicht. »Drei Jahre Musikstudium, und du glaubst, ich könnte Grieg nicht erkennen, wenn ich ihn höre? Sophie, du bist die Musiklehrerin, was meinst du?«
    »Frag mich nicht. Ich dachte, es wäre Mendelssohn. Ich weiß, damit blamiere ich mich bis auf die Knochen. Aber ich habe heute frei, also wird mein Direktor nichts davon erfahren.«
    Wren ließ nicht locker: »Glaubt mir, es ist Händel.«
    Tom runzelte die Stirn: »Ich wette einen Fünfer dagegen.«
    »Abgemacht.« Wren und Tom besiegelten die Wette mit einem Handschlag.
    Jack hüstelte und hielt sein iPhone in die Höhe. »Tut mir leid, Wren, aber unser Gitarrist hat recht. Ich habe die Melodie in meine Musikerkennungs-App gepfiffen, und da, seht selbst: ›Grieg: Hochzeitstag auf Troldhaugen‹. « Angesichts unserer verdutzten Mienen fügte er hinzu: »Was denn? Damit ist die Sache doch geklärt.«
    Ich lachte: »Du bist echt ein Technikfreak, Jack.«
    »Hm, eher ein Sklave der kreativen Ideen von Mr Jobs.« Jack blickte nach vorne, wo Owen und Charlie mit den Gästen scherzten und immer wieder mit gespielter Nervosität die Uhrzeit verglichen. »Mann, Charlie sieht heute echt klasse aus. Und das sage ich als überzeugter Heterosexueller.«
    Ich konnte Jack nur Recht geben. Charlie hatte sein wild verstrubbeltes Haar von diesem Morgen erfolgreich gebändigt und war ganz in Schwarz gekleidet, von dem kragenlosen Hemd und der Nehru-Jacke bis hin zu den Church-Lacklederschuhen (auf die er, wie ich wusste, sehr stolz war). Die einzige Ausnahme war das Knopflochsträußchen aus einer weißen Rose und einer Orchidee. Owen wiederum war ganz in Weiß, den einzigen Farbtupfer bildeten die gelbe Rose und der kleine Lavendelzweig in seinem Knopfloch. Ich wusste, ich hätte Charlie nicht ansehen sollen, denn sobald sich unsere Blicke trafen, spürte ich jenes vertraute Flattern in meinem Bauch. Merkte er es mir an? Ich wusste es nicht.
    Nun erhob sich der Standesbeamte und lenkte Charlies Aufmerksamkeit auf sich. Schlagartig ebbte das hei tere Stimmengewirr ab, nur da und dort wurde noch leise geflüstert.
    »Verehrte Damen und Herren, bitte erheben Sie sich für den Einzug der Braut.«
    Sogleich setzte das Streichquartett zu einer feierlichen Wiedergabe von Pachelbels Kanon in D-Dur an, worauf mir unerwartet Tränen in die Augen stiegen, die ich hastig wegblinzelte. Ich schob es auf die romantische Zeremonie – oder vielleicht war es auch die Hoffnung, dass meine Suche bald erfolgreich sein würde, die mein Herz rührte.
    Die Türen zum Garten öffneten sich, und zwei kleine Brautjungfern in weißen Tüllkleidern mit grünen und blassgoldenen Schärpen traten aus dem Obstbaumlabyrinth hervor. Hinter ihnen tauchte Francesca auf, die sich einen Weg durch das grüne Laubwerk voller reifer Äpfel, Birnen und Pflaumen bahnte. Sie war in weiße Seide gekleidet mit einem apfelgrünen Band um die Taille, das unter ihrem Dreiviertelschleier bis hinunter auf die Schleppe fiel. Sie hatte sich bei ihrem stolzen Vater eingehängt, der seinem zukünftigen Schwiegersohn und dem plötzlich sehr ernst dreinblickenden Charlie zulächelte.
    Die Trauung war schlicht und schön: In goldenes Sonnenlicht getaucht, das durch das Glasdach hereinflutete, gaben sich Owen und Francesca das Jawort, und gebannt von der Szene, hielten die Gäste den Atem an. Ein tiefer Frieden legte sich über den gesamten Raum, erfüllt von der Gewissheit einer wahren, lebensverändernden Liebe. Ich

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