Und dann kusste er mich
ihren Füßen. Die Nachmittage verbrachten wir meist in dem kleinen Schrebergarten am Kanal und plauderten bei selbst gemachter Limonade mit den anderen Kanalbootbesitzern. Abends saßen wir auf dem Dach von Our Pol und blickten in den atemberaubenden Sternenhimmel empor. Doch vor allem unterhielten wir uns und führten lange Gespräche über Gott und die Welt. Wie ein Schwamm sog ich die positive Lebenseinstellung auf, die die beiden mit jeder Geste und jedem Wort ausstrahlten.
Tante Mags war völlig aus dem Häuschen über das Interesse, das meine Blog-Anhänger für ihre Rezepte bekundeten, und ich überredete sie, einen eigenen Blog zu starten, um die Rezepte der ganzen Welt zugänglich zu machen. Tatsächlich wurde jedes einzelne Rezept geradezu hymnisch gefeiert, was den Erfindungsgeist meiner Tante noch mehr anspornte.
»Das war eine fantastische Idee«, sagte sie zu mir eines Nachmittags, als wir herrlich klebriges Früchtebrot mit Butter aßen. »Das ist fast wie ein eigener kleiner Backzirkel.«
»Deine Rezepte sind einfach zu gut, um sie für dich zu behalten.« Lächelnd deutete ich auf die Nachricht einer Frau aus Michigan. »Diese Dame meint, du solltest eine eigene weltweite Kette aus englischen Teestuben eröffnen.«
Onkel Dudley stellte eine neue Kanne Tee auf den Tisch und küsste Tante Mags auf den Scheitel. »Eine hervorragende Idee, Magsie! Du könntest Unternehmerin werden. Meine Magsie erobert mit ihren Kuchen die Welt!«
»Red keinen Unsinn, Dudley! In meinem Alter baut man kein Geschäft mehr auf.«
Plötzlich kam mir ein Gedanke: »Du könntest mit einer Teestube anfangen. Wenn der Zuspruch hier schon so überwältigend ist, werden die Leute sicher scharenweise hereinströmen.«
Tante Mags rümpfte die Nase, doch ihre Augen funkelten. »Ihr seid wirklich lieb, aber ich kann mir nicht vorstellen, aus dem Backen einen Beruf zu machen. Das ist richtig harte Arbeit.«
»Wann hättest du dich jemals von harter Arbeit abschrecken lassen?«, wandte ich ein. »Deine Kuchen sind wie eine Therapie. Das ist ein Talent, das du der Welt nicht vorenthalten solltest.«
Onkel Dudley umarmte sie. »Magsie, wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, hast du es immer durchgezogen. Und dafür liebe ich dich.«
Ich wurde niemals müde, mir von den beiden erzählen zu lassen, wie sie sich kennengelernt und ineinander verliebt hatten. Wahrscheinlich glaubten sie so fest an meine Suche, weil auch sie etliche Umwege gehen mussten, bis sie sich endlich gefunden hatten. Es war unmöglich, keine Parallelen zu ziehen zwischen ihrer Erfahrung und dem, was ich mir für meine Zukunft erhoffte.
Onkel Dudley arbeitete als Lehrling in der Autofabrik in Longbridge, als er das erste Mal ein Auge auf das schüchterne schöne Mädchen in der Verwaltung warf. Er war zwanzig Jahre alt, und Tante Mags war gerade sechzehn geworden – ein halbes Kind noch, das die Schule hinter sich hatte und nun seine ersten zögernden Schritte in die Arbeitswelt setzte. Für meinen Onkel war es Liebe auf den ersten Blick: Er dachte nur noch an sie, konnte nicht mehr schlafen, nicht mehr essen und nutzte jede Gelegenheit, in das mit Teakholz ausgekleidete Büro zu gehen, wo Mags arbeitete, und mit ihr zu sprechen. Nur war er dabei wenig erfolgreich.
»Ich wollte wie Clark Gable oder Cary Grant sein, aber wann immer ich den Mund öffnete, verwandelte ich mich in einen stammelnden Idioten«, erzählte er lachend, als wir auf den alten gestreiften Plastikklappstühlen am Treidelweg saßen und Enten fütterten. »Deine Tante sah so hinreißend aus, dass es mir die Sprache verschlug. So blöd sich das vielleicht anhören mag, aber ich hatte das Gefühl, das ist die Frau, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen werde.«
Als Dudley schließlich seinen ganzen Mut zusammennahm und Mags zu einer firmeneigenen Veranstaltung einlud, lehnte sie höflich ab. Am Boden zerstört, schwor er sich, sie nicht weiter zu bedrängen.
»Sie brach mir das Herz, meine Magsie. Ich zog mich zurück, um meine Wunden zu lecken, und sprach sie nicht mehr an.« Er bedachte meine Tante mit einem traurigen Hundeblick, worauf sie unwillig den Kopf schüttelte.
»Ich war sechzehn Jahre alt, Dudley, und hatte Angst vor meinem eigenen Schatten und noch viel mehr vor einem hübschen jungen Kerl. Vor meinem ersten Arbeitstag in der Firma schärfte mir meine Mutter ein, dass sich anständige Mädchen nicht mit Fabrikarbeitern einlassen dürften. Du weißt ja, wie sie
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