Und dann kusste er mich
erkannt. Und ja, die Tatsache, dass du einen anderen Typen ins Visier genommen hast, war eindeutig ein Auslöser. Er brauchte einfach einen ordentlichen Tritt in den Hintern. Glaub mir, Rom, wir Männer sind simple Wesen: Wir mögen keine Probleme. Kein Mann – es sei denn, er ist komplett irre – wird freiwillig die Initiative ergreifen, wenn er sich nicht einigermaßen sicher sein kann, dass er sich keinen Korb einfängt. Sieh dir Jack und Soph an: Sie musste praktisch mit einer Reklametafel mit der Aufschrift ›Ich mag dich‹ vor ihm herumlaufen, bis er es riskierte, sie um ein Date zu bitten. Doch sobald er diesen Schritt gewagt hatte, konnte er sich ganz und gar auf die Beziehung einlassen. Bei Charlie wird es genauso sein.«
»Aber es geht nicht nur um Charlie.«
»Nein?«
»Wie du weißt, suche ich schon das ganze Jahr nach dem Mann, der mich geküsst hat, und er geht mir einfach nicht aus dem Sinn. Denn er musste nicht überzeugt werden: Er hatte sich für mich entschieden in dem Moment, als sich unsere Blicke das erste Mal begegneten. Ist ein Mann, der so reagiert, nicht besser für mich als jemand, den ich erst davon überzeugen muss, dass ich seine Zuneigung verdient habe?«
Nachdenklich strich Tom über sein stoppeliges Kinn. Schließlich beugte er sich nach vorne: »Pass auf, ich kann es dir nur auf meine Weise beschreiben. Es dauert ein wenig, also hab Geduld.«
»Okay.«
»Wie ich die Sache sehe, hast du zwei Optionen: das Neue und das Bewährte. Es ist ein wenig so, wie wenn du nach einer neuen Software für deinen Computer suchst. Es wird immer das neueste Programm, die neueste App, das neueste Gadget geben, die alle ganz neue, großartige Dinge versprechen. Du hast keine Ahnung davon, weil du noch nie damit gearbeitet hast, aber es ist spannend, weil du nicht weißt, was dich erwartet. Im Vergleich dazu wirken die altbekannten Dinge langweilig. Aber manchmal ist das Bewährte genau das, was man braucht. Sicher, es ist nicht so aufregend und schick wie das Neue, aber man hat Zeit gehabt, es kennenzulernen, man weiß, worauf man sich einlässt, und man kann sich darauf verlassen, dass es das tut, was nötig ist. Du runzelst die Stirn. Ergibt das für dich keinen Sinn?«
Ich wollte ehrlich sein: »Willst du mir einen Rat über Beziehungen geben oder Software verkaufen?«
Er lachte: »Am besten beides. Ich habe schließlich meine Unkosten.«
Ich rieb mir über die Stirn. »Entschuldige. Was versuchst du mir gerade zu sagen?«
»Dein Fremder ist wie die neue Software. Aufregend und geheimnisvoll. Er ist in dein Leben hineingeplatzt und hat dich total umgehauen. Er könnte die Liebe deines Lebens sein, und wenn du ihn findest, könntest du die erfüllende und tiefe Beziehung erleben, die du dir erträumt hast.«
»Aber?«
Eindringlich sah er mich an: »Aber hinter all diesem verheißungsvollen Neuen könnten Probleme lauern, die man anfangs nicht bemerkt: Störungen und Viren im System, wenn du so willst. Er könnte dein Leben total ruinieren, alles erschüttern, dessen du dir bislang sicher warst, und dich mit nichts zurücklassen. Er könnte ein zerstörerischer Virus sein, der auf seine Gelegenheit wartet und der dann einen Schaden anrichtet, der nur in jahrelanger Arbeit wieder zu reparieren ist.«
»Charlie ist dann wohl so eine Art normales Textverarbeitungsprogramm, ja?«
Er schüttelte den Kopf: »Ich will diese Analogie nicht überstrapazieren. Ich versuche nur, dir zu sagen, dass du Charlie gut kennst. Du weißt, wie er tickt, was er mag und nicht mag, wie er die Welt sieht. Und lass uns den Tatsachen ins Auge sehen: Du weißt das alles so genau, weil du seit drei Jahren in den Kerl verliebt bist. Sicher, was Entscheidungen angeht, ist er nicht gerade der Schnellste – ich meine, du hast ja einige seiner früheren Freundinnen kennengelernt –, aber allein die Tatsache, dass er so lange gebraucht hat, um dich als die zu sehen, die du wirklich bist, bedeutet doch, dass er die ganze Zeit über gelernt hat. Er wird nichts davon vergessen.« Sein Ton wurde sanft: »Kannst du dasselbe über den Typen sagen, dem du seit einem Jahr hinterherjagst? Erinnert er sich überhaupt daran, wer du bist?«
Das zu hören war hart für mich, aber ich musste Tom Recht geben. »Ich sollte mich also eher für die Standardeinstellung entscheiden und nicht für die fragwürdige App?«
Tom zuckte die Achseln: »Das musst du selbst herausfinden. Aber tu es bald. Lass den armen Kerl nicht unnötig
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