Und dann kusste er mich
Gordon Ramsay geschenkt, da werde ich heute Abend ein wenig experimentieren. Na, klingt das gut?«
»Und wie. Danke, du bist ein Schatz!«
»Schon gut. Oops, ich muss wieder ran, der Boss ist gerade unten vorgefahren.«
Als ich am Abend bei ihm eintraf, war er mitten in den Essensvorbereitungen. Sein Vater war gelernter Koch und hatte ihm schon in jungen Jahren beigebracht, rasend schnell zu schnippeln. Es imponierte mir immer wieder, wie er mit einem grausig scharfen Messer in affenartiger Geschwindigkeit Gemüse zerhackte, ohne überhaupt hin sehen zu müssen.
»Das wird eine Art Eintopf«, teilte er mir mit, während er das Kochbuch studierte, das aufgeschlagen auf der Küchenwaage lag. »Eigentlich müsste man dafür das Gemüse nur grob schneiden, aber du kennst mich ja. Wenn ich einmal angefangen habe, wird alles zu Kleinholz zerhackt.«
»Es sieht jedenfalls sehr eindrucksvoll aus.«
»So soll es sein.« Er machte eine kleine Verbeugung vor dem Buch: »Danke, Gordon.« Dann wandte er sich mir zu: »Dein Computer macht also Ärger.«
Ich blickte auf den Delinquenten, den ich mir unter den Arm geklemmt hatte. »Ja. Ich glaube, er will in den Ruhestand gehen.«
»Wir sehen uns das gleich mal an. Gehen wir in mein Arbeitszimmer, das Essen kann so lange warten.«
Toms Arbeitszimmer war das winzigste Büro, das ich kannte. Im Grunde war es kaum mehr als ein großer Schrank. Darin standen ein kompakter, auf halbe Größe zurechtgestutzter Schreibtisch (den Tom mit der Säge malträtiert hat, um ihn »maßgenau« anzupassen), ein alter Bürostuhl mit einem ungünstigen Knubbel auf der ledernen Sitzfläche sowie ein Drucker, den Tom ständig loben, beschimpfen oder bedrohen musste, damit er etwas ausdruckte. Sein kärgliches Büro stand in krassem Widerspruch zu seinem Arbeitsplatz in einer Hightech-Firma mit ihren hochmodern ausgestatteten Büros, den großzügigen Räumlichkeiten und der schicken Einrichtung.
Er nahm mir den Laptop ab und inspizierte ihn. »Hm. Ich sage das nicht gern, Rom, aber ich glaube, da ist nichts mehr zu machen.«
Obwohl ich genau das befürchtet hatte, war es höchst unerfreulich, es bestätigt zu bekommen. Bei dem Gedanken, welches Loch ein neuer Laptop in meine Finanzen reißen würde, wurde mir ganz schwindlig. »Toll. Das sind ja großartige Neuigkeiten.«
Er grinste. »Lass ihn mir einen Tag oder so da. Vielleicht kriege ich ihn wieder einigermaßen hin.« Er bedeutete mir, auf dem Klappstuhl Platz zu nehmen, den er aus dem Schlafzimmer geholt hatte. »Und, wie geht’s sonst?«
»Ach, wie immer.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust: »Lügnerin.«
»Was?«
»Wie viele Jahre kennen wir uns jetzt? Ist dir noch gar nicht aufgefallen, dass du für mich mittlerweile wie ein offenes Buch bist? Schon als du zur Tür hereinkamst, habe ich dir angesehen, dass du total down bist. Und versuch jetzt bitte nicht, dich rauszureden. Komm, erzähl Onkel Tom, was dich bedrückt.«
Verlegen rutschte ich auf dem Stuhl herum: »Ich kann nicht.«
»Warum?«
»Weil es jemanden betrifft, den du kennst.«
»Aha.« Er lehnte sich zurück und nickte: »Es geht also um Charlie.«
Entgeistert starrte ich ihn an.
»Ach, komm schon, Rom, das war ja nicht gerade ein Geheimnis. Ihr beiden schleicht doch schon seit Ewigkeiten wie die Katzen um den heißen Brei herum.«
Da Tom nun wusste, um wen es ging, konnte ich ihm genauso gut gleich alles erzählen: »Er hat mir endlich gestanden, was er für mich empfindet, und mich gebeten, darüber nachzudenken, ob ich mit ihm zusammen sein möchte.«
Seine Augen leuchteten auf. »Super! Das ist genau das, worauf du all die Jahre gewartet hast!« Da ich darauf nicht reagierte, hob er fragend die Brauen: »Stimmt doch, oder?«
»Ich weiß nicht. Irgendwie kommt es mir so vor, als hätten sich seine Gefühle genau in dem Moment geändert, als ich mich anderweitig orientiert habe. Aber kommt dieser plötzliche Umschwung daher, weil ich für ihn auf einmal unerreichbar und damit interessant geworden bin oder weil er schon immer so für mich empfunden hat? Wenn er mich mag, sollte er wissen, dass ich keine Spielchen …«
»Rom, nein, hör zu! Zunächst einmal ist Charlie ein Mann! Wir brauchen ewig, bis wir etwas schnallen, es sei denn, wir halten es für unsere eigene Idee, und selbst dann jagen wir in der Regel den falschen Frauen hinter her. Wir alle wissen, dass Charlie mehr in dir sieht als nur eine Freundin – nur hat er es eben als Letzter
Weitere Kostenlose Bücher