Und dann kusste er mich
sieht mich der Mann, nach dem ich suche, genauso wie ich bin – und ja, es war nur eine Sekunde, doch in dieser einen Sekunde habe ich alles verstanden, was ich verstehen musste. Und deshalb suche ich noch immer.«
»Aber er verdient dich nicht so wie …«
»Wie wer , Charlie?«
»Wie ich !«
Überrumpelt von diesem überraschenden Schlag, schwankte ich einen Moment, stand dann aber wieder fest im Ring. »Das ist lächerlich. An Weihnachten hättest du mich haben können, aber du wolltest mich nicht.«
»Jetzt will ich!«
Da war er, der entscheidende Schlag, der den Kampf auf der Stelle beendete. Während wir uns stumm anstarrten, schienen seine Worte von den umliegenden Gebäuden widerzuhallen.
Das Feuer in seinen Augen war erloschen. Stattdessen lag darin nun eine tiefe Verletzbarkeit, die ich das erste Mal vor zwei Monaten im Garten von Combermere Abbey gesehen hatte. Was sollte ich tun? Erwartete er, dass ich ihm jetzt glücklich in die Arme fiel, nachdem er mich fast ein Jahr lang so offenkundig zurückgewiesen hatte?
»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, gestand ich schließlich.
Seine Schultern sackten nach unten. »Dann sag nichts. Denk einfach darüber nach, okay? Sicher, das ist alles ein ziemliches Durcheinander, und ich kann verstehen, dass du vorsichtig bist. Aber was da neulich im Wald passiert ist … Ich weiß genau, dass auch du etwas dabei gefühlt hast.«
Er hatte Recht, natürlich, aber ich brauchte Zeit, um nachzudenken und die einzelnen Bruchstücke zu einem Ganzen zusammenzufügen: Charlie, PK, meine Suche, die Möglichkeit einer neuen Musikkarriere … »Ich weiß nicht mehr, was ich fühle.«
Er holte tief Luft: »Aber du wirst darüber nachdenken, ja?«
Ich nickte.
»Sei vorsichtig mit deinen Wünschen«, hatte meine Mutter früher gern gesagt, und als Jugendliche hatte ich das nie verstanden. Vielmehr hatte ich immer angenommen, meine Mutter wollte mich auf diese Weise nur davon abhalten, irgendwelche verrückten, unlogischen, gefühlsgesteuerten Ideen zu verfolgen.
Doch inzwischen war mir die Bedeutung ihrer Worte klar geworden. Ich hatte ungefähr drei Jahre meines Lebens in die Wunschvorstellung investiert, Charlie wäre meine große Liebe, nur damit mir diese Liebe letztes Jahr um die Ohren fliegen konnte und sie nun mit neuer Kraft wiedererwachte. Außerdem hatte ich fast ein Jahr meines Lebens der Suche nach einem Mann gewidmet, der meine Liebe anscheinend wollte, aber sofort wieder verschwand und leider auch verschwunden blieb. Der November neigte sich dem Ende zu, und ich hatte nur noch einen Monat Zeit für meine Suche. Wenn ich mir gegenüber ehrlich sein wollte, musste ich mich fragen, wie realistisch meine Chancen waren, ihn jetzt noch zu finden …
Natürlich liebte ich Charlie. Man verbrachte nicht drei Jahre seines Lebens damit, sich nach jemandem zu verzehren, ohne dass dies Spuren hinterließ. Aber waren nach einem Jahr, in dem ich mein Herz anderweitig vergeben hatte, noch genug Gefühle übrig, um eine Beziehung darauf aufzubauen? Und was war mit meinen Gefühlen für PK? Dem verlockend schimmernden Preis, der mich am Ende meiner Suche erwartete, der Verheißung, die jeden meiner Schritte in diesem Jahr diktiert hatte. Ich hatte gewartet, mich nach ihm gesehnt, mit der inneren Gewissheit, dass er mein werden würde.
Als ich Onkel Dudley und Tante Mags meine Zweifel anvertraute, sagten sie, ich solle meinem Herzen folgen. Das Problem war jedoch, dass mein Herz doppelt so verwirrt war wie mein Kopf. Wren schlug vor, ich solle mir vorstellen, neben wem ich am Morgen erwachen wollte, doch das machte die Sache nicht leichter.
Den besten Rat erhielt ich schließlich von gänzlich unerwarteter Seite.
Der betagte Laptop, den ich zu Hause benutzte, hatte plötzlich keine Lust mehr, weiterhin für mich zu schuften, und blieb eines Abends einfach hängen, weigerte sich stur, herunterzufahren oder sich neu starten zu lassen. Wenn es um Computer ging, gab es nur einen Freund, an den ich mich wenden konnte.
»Hallo, Tom Rushton.«
»Hi, ich bin’s, Rom.«
» Romulus! Was gibt’s Neues aus dem Reich der Jingles? Immer noch dabei, zweifelhafte Produkte in Songs zu verewigen?«
»Ich bekenne mich schuldig. Entschuldige den Überfall, Tom, aber mein Laptop spinnt. Meinst du, du könntest ihn dir mal ansehen?«
»Klar, jederzeit. Was hast du zum Beispiel heute Abend vor?«
»Nichts.«
»Super. Dann komm einfach vorbei. Cayte hat mir das neue Kochbuch von
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