Und dann kusste er mich
Kuchen widmete, war ich völlig benommen von dem, was da gerade passiert war.
In den darauffolgenden Tagen versuchte ich, den Vorfall als spleenige Laune abzutun, und schaffte es beinahe, mich selbst davon zu überzeugen, bis wir uns an einem Freitagabend bei Jack und Sophie wiedersahen. Sobald Charlie den Raum betrat, begann mein Herzschlag zu rasen, und ich musste mich den ganzen Abend über beherrschen, um ihn nicht ständig anzustarren. Plötzlich war es so, als sähe ich ihn zum ersten Mal: sein entspanntes Lächeln, das Funkeln in seinen Augen, wenn er mit Tom und Jack herumblödelte, seine lebhafte Gestik beim Sprechen. Ich kannte ihn fast mein ganzes Leben lang, doch irgendwie hatte ich nie bemerkt, wie großartig und hinreißend er war.
Von da an verliebte ich mich immer heftiger in ihn. Jede Minute, die wir miteinander verbrachten, bestätigte meine Gefühle, und letztes Jahr merkte ich dann, dass sich sein Verhalten mir gegenüber veränderte. Er suchte öfter meine Gesellschaft, und wenn wir Zeit miteinander verbrachten, prickelte die Luft zwischen uns. Zumindest glaubte ich das …
Jetzt kam mir dieser wunderbare Sommer vor drei Jahren Lichtjahre entfernt vor. Der Park lag unter einer dicken Frostdecke, und der See glitzerte in einem eisigen Winterblau, als wir den von Eispfützen übersäten Weg entlanggingen. Verstohlen blickte ich zu Charlie hinüber, dessen Miene jedoch nichts preisgab. Das Wenige, was wir bereits gesagt hatten, genügte ihm offensichtlich nicht, da er mich sonst nicht zu diesem spontanen Ausflug in den Park entführt hätte. Auf dem Weg dorthin beschränkte sich unsere Unterhaltung auf ungefährliche Themen. Charlie erzählte mir von einer Ausstellung, die sein Vater für seine Galerie angenommen hatte, und ich brachte ihn mit dem neuesten Werbesong für Doppelglasfenster, den ich für Brum FM komponiert hatte, zum Lachen.
Wir entfernten uns vom See und gelangten zu einem schmiedeeisernen viktorianischen Musikpavillon. Winzige Schneeflocken wirbelten um unsere Köpfe, als wir die Stufen erklommen und uns auf eine Holzbank setzten, um unser Frühstück im Freien zu verzehren. Charlie biss in sein Schinkenspeck-Sandwich, und in der Stille, die sich zwischen uns ausbreitete, verknotete sich mein Magen erneut.
»Schmeckt’s?«, fragte ich, da jede Konversation besser war als gar keine.
Er nickte und wandte mir die geballte Kraft seines mitternachtsblauen Blicks zu. »Rom …«
Plötzlich wurde die Situation für mich unerträglich. »Charlie, können wir diesen Samstag nicht einfach vergessen?«
»Also, ich finde, wir müssen darüber reden. Ich habe mich total bescheuert verhalten, und das tut mir leid.«
»Du warst eben ehrlich.«
»Das warst du auch. Ich hätte besser damit umgehen müssen.«
»Unsinn. Du hast einfach nicht damit gerechnet.«
Er grinste: »Kann man so sagen. Das kam total überraschend. Ich meine, in der einen Sekunde reden wir über Quincy Jones, und in der nächsten …«
»Ich weiß. Tut mir echt leid, Charlie. Ich hätte die Klappe halten sollen. Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe.«
Charlie seufzte und sah mich offen an. »Ich finde dich toll, Rom. Schon immer. Aber du bist meine beste Freundin, und das ist für mich entscheidend. Tut mir leid, wenn ich dir den Eindruck vermittelt habe, dass ich … dass wir … du weißt schon.«
Ich wandte den Blick ab. Während ich in meinen Kaffee starrte, blitzte vor meinem inneren Auge plötzlich das Bild des hübschen Fremden vom Weihnachtsmarkt auf. Trotz der tiefen Scham, die sich nach wie vor durch meine Eingeweide fraß, versetzte mir die Erinnerung an den Kuss einen willkommenen Hoffnungsschub.
Ich dachte an Wrens Worte, die sie mir am Vortag zusammen mit der tränenförmigen Christbaumkugel auf den Weg gegeben hatte: »Es soll dich immer daran erinnern, dass es irgendwo in dieser Stadt zumindest einen tollen Typen gibt, der dich schön findet …«
Und schlagartig war alles wieder da – der ganze Zauber dieser Begegnung. Sicher, das war im Moment nicht sehr hilfreich, da ich nicht wusste, wer er war oder wo ich nach ihm suchen sollte. Aber ich würde ihn finden. Irgendwie.
»Wo bist du hingegangen, nachdem du mich weggeschickt hast?«, fragte Charlie und katapultierte mich wieder in die Gegenwart zurück.
Ich bemühte mich um eine gleichmütige Miene, obwohl mein Herz Saltos schlug. »Auf den Weihnachtsmarkt, um meine restlichen Weihnachtseinkäufe zu erledigen.«
»Ich hoffe, du hast
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