Und dann kusste er mich
etwas zu sagen, doch ich kam ihm zuvor.
»Dann mal los, okay?« Ich bemühte mich um einen aufgekratzten Ton, was in Anbetracht der Umstände nicht so leicht war.
Er runzelte die Stirn und stieg dann schweigend auf der Fahrerseite ein.
»Na, toll«, murmelte ich leise, während ich zur Beifahrerseite ging und angeekelt das Gesicht verzog, als mir von den Mülltonnen her ein fauliger Geruch in die Nase stieg. »Bei all den Männern in der Stadt gerate ich heute Nacht ausgerechnet an den großen Schweigsamen.«
Den Blick starr auf die Straße geheftet, startete Charlie den Motor, und wir fuhren in die eisige Dunkelheit hinein. Ich dankte dem Himmel, dass es nur eine kurze Fahrt war, obwohl es wahrscheinlich die längste halbe Stunde meines Lebens sein würde. War er wütend auf mich? Und wenn ja, warum nutzte er nicht die Gelegenheit, um Dampf abzulassen? Da keine hörbare Kommunikation in Aussicht war, kuschelte ich mich gegen die Beifahrertür und blickte auf die vorbeiziehenden Straßen hinaus. Schlafmangel und der schlagartig abfallende Adrenalinspiegel zehrten an meinen Kräften, aber Charlies Verhalten ärgerte mich trotzdem. Warum wollte er unbedingt, dass ich bei ihm mitfuhr, wenn er mich dann nur anschwieg? Nach fünf Minuten hielt ich es nicht mehr aus. Wenn meine Bandkollegen eines über mich wussten, dann dass ich einem drohenden Streit niemals aus dem Weg ging.
»Okay. Ich habe genug von der Schweigenummer. Was ist dein Problem?«
Mein scharfer Ton, der die Stille im Wagen jäh zerriss, ließ Charlie zusammenzucken. Ruckartig wandte er sich mir zu, und der Wagen geriet einen Moment ins Schlingern. »Was machst du denn?«
»Was, mit dir reden ? Oh, keine Ahnung, Charlie! Ich dachte, so etwas wäre normal, wenn zwei Freunde zusammen im Auto sitzen.«
Seine angespannte Haltung verriet mir, dass meine Giftpfeile ins Schwarze getroffen hatten. »Deinetwegen wäre ich fast von der Straße abgekommen! Bis du irre, oder was?«
»Ja, bin ich, und zwar irre wütend. Auf dich!«
»Auf mich? Wieso das denn?«
Mach dich auf eine Schimpftirade gefasst, Mr Wakeley! »Ich habe stundenlang gewartet, weil ihr mit dem Packen ewig herumgetrödelt habt und euch danach ja auch noch unbedingt lang und breit über unseren Manager auslassen musstet. Und als ich dann todmüde und kaputt zu Tom ins Auto steigen wollte, hast du darauf bestanden, dass ich bei dir mitfahre. Und jetzt sitze ich neben dir, und du sagst kein Wort.«
»Wir sind alle müde, Rom. Tut mir leid, dass ich im Moment nicht in Plauderstimmung bin. Ich will den Van nur noch zu Jack fahren und dann endlich ins Bett gehen.«
»Warum hast du mich dann gebeten, bei dir mitzufahren? Was hat dir an Wren nicht gepasst?«
»Blödsinn, es war … Weißt du, jetzt wünschte ich, ich hätte Wren mitgenommen. Sie wäre sicher nicht ausgetickt, weil ich nicht reden will.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Bisher hast du gar nichts Vernünftiges gefragt.«
Es war so weit: Mir platzte der Kragen. »Entschuldige mal! Du hast mich ausdrücklich gebeten, bei dir mitzufahren, nur um mich dann komplett zu ignorieren. Und jetzt, da ich dich darauf anspreche, wirfst du mir vor, ich würde überreagieren. Wenn hier jemand nicht richtig tickt, dann bist du das, Wakeley, nicht ich. Ich dachte, wir hätten alles zwischen uns geklärt. Also, was zum Teufel willst du von mir?«
Charlie bremste scharf an einer roten Ampel und sah mich an. »Ich wollte etwas Zeit mir dir allein haben, okay?«
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch mir fehlten die Worte. Ich wusste nicht, wie ich seine Bemerkung verstehen sollte, und war mir nicht sicher, ob ich es überhaupt herausfinden wollte.
»Es gibt ein paar Dinge, die ich dir sagen wollte, aber seit wir losgefahren sind, zermartere ich mir das Hirn, wie ich anfangen soll.«
»Tut mir leid.« Meine wiedergewonnene Stimme klang leise und jämmerlich. »Ich dachte …«
»Ich weiß, was du dachtest.«
Ich holte tief Luft. »Was wolltest du mir denn sagen?«
Charlie schüttelte den Kopf. »Spielt keine Rolle.«
»Doch.« Zögernd strich ich mit den Fingern über seine warme Hand auf dem Lenkrad. Es war ein wohliges Gefühl, bis Charlie zurückzuckte und ich rasch die Hand wegzog.
»Ich wollte nur sagen, dass dieses Jahr besser werden wird. Für uns beide. Alles wird wieder wie früher werden, ohne dieses …« Er schluckte. »Es gefällt mir nicht, dass diese … diese Sache zwischen uns steht. Ich werde nicht
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