Und das ewige Licht leuchte ihr - Granger, A: Und das ewige Licht leuchte ihr - Rattling the bones
Selbst im Garten Eden der Bibel hatte es eine Schlange gegeben, und eine gesichtslose Bedrohung schlich durch das Unterholz von Ednas privatem Garten-Eden-Projekt, dessen war ich mir absolut sicher. Doch wie sollte ich diese Bedrohung ans Licht zerren, noch dazu, ohne Ednas Leben mehr als unbedingt nötig zu stören?
Ich dachte sehnsüchtig an die Welt, die Conan Doyle für seinen großen Detektiv erschaffen hatte. Das waren Zeiten gewesen! In Conan Doyles Welt hatte der alte Violinenquäler in seinem behaglichen Arbeitszimmer gesessen und sich von Mrs. Hudson vorne und hinten bedienen lassen, während der arme alte Watson die ganze Laufarbeit hatte erledigen müssen. Holmes selbst strengte lediglich sein Hirn an und ansonsten herzlich wenig. Wenn man ein Hirn besaß wie der Große Detektiv, dann musste man vielleicht auch ansonsten nur herzlich wenig tun. Ich weiß, dass er sich gelegentlich gerne verkleidete und irgendwo draußen in Dartmoor versteckte oder einen privaten Zug mietete, der ihn irgendwohin brachte. Im Übrigen erledigte er seine Detektivarbeit auf eine Weise, wie wir alle es gerne tun würden – aus dem bequemen Lehnsessel heraus.
Leider spielt die Wirklichkeit da nicht mit. Ich besitze weder das Hirnschmalz von Holmes noch die erstaunlichen kleinen grauen Zellen eines Hercule Poirot, und ich hätte zu gerne gewusst, ob einer dieser berühmten Detektive sich überhaupt mit meinen Problemen abgegeben hätte. Ich hatte eine schrullige alte Lady und eine unidentifizierte Gefahr für sie, die von Stunde zu Stunde gefährlicher wurde. Ich war über einen Leichnam gestolpert, dessen letzter Wunsch im Leben allem Anschein nach ein persönliches Gespräch mit mir gewesen war, von Angesicht zu Angesicht. Holmes ließ eine Droschke kommen, wenn er irgendwohin wollte. Ich musste mich mit den Unwägbarkeiten der modernen Londoner Massenverkehrsmittel herumschlagen. Poirot hatte Inspector Japp, der ihm die Stiefel leckte. Ich hatte Janice Morgan an den Hacken.
Lottie wollte mir den Namen ihres Mandanten nicht verraten, also wusste ich nicht, ob dieser Mandant oder vielleicht jemand ganz anderes die Gefahr für Edna darstellte. Möglicherweise hatte dieser Mandant das gleiche Ziel wie ich, nämlich Edna zu schützen. Falls dem so war, musste ich ihn erst recht finden und mit ihm – oder ihr – reden.
Der Bus setzte sich mit erhöhter Geschwindigkeit in Bewegung und brachte mich halbwegs in die Nähe meines angestrebten Ziels, des Wohnheims. Ich absolvierte den letzten Teil meiner langen Reise im Marschtempo, trotz des Bagels in meinem Magen, und traf mehr oder weniger atemlos vor dem Heim ein.
Sandra saß nicht auf den Stufen – stattdessen öffnete sie mir die Tür.
»Hi«, sagte ich ziemlich sprachlos. »Ist Simon da? Oder Nikki?«
Sandra starrte mich schweigend an. Ihr Gesicht mit dem ungesunden teigigen Teint war eingerahmt von langen Strähnen ungewaschener, fettiger blonder Haare. Ihre Augen waren groß und blau und leer. Sie sah völlig abwesend aus. Ich wusste nicht, ob dies bedeutete, dass sie ihre Medikamente eingenommen hatte – oder ob es vielleicht eine Überdosis gewesen war. Wenigstens weinte sie nicht.
»Ist Simon da?«, wiederholte ich meine Frage ein wenig lauter und zeigte an ihr vorbei in die Richtung, wo das Büro des Heims lag. »Oder Nikki?«
Sie trat zur Seite und ließ mich passieren, indem sie ebenfalls den Arm ausstreckte und auf die Bürotür zeigte. Sie war meiner Meinung nach nicht die beste Person als Türsteherin, doch vielleicht gehörte dies zu ihrem Rehabilitationsprogramm.
»Danke sehr«, sagte ich freundlich, mehr, um mich selbst aufzumuntern, als sie. »Sind beide im Büro?«
Sie legte die Stirn in Falten und deutete erneut auf die Bürotür.
»Schon gut, schon gut«, sagte ich hastig, weil ich unter keinen Umständen die Wasserspiele auslösen wollte. Alles in allem fühlte ich mich umgeben von den merkwürdigsten Wesen, wie die arme Alice im Wunderland. Sandras langer bleicher Finger wackelte in Richtung Tür, und ich gehorchte ihrer lautlosen Aufforderung klaglos.
Ich klopfte an. »Hallo, ich bin es, Fran Varady. Darf ich reinkommen?«
Auf der anderen Seite entstand ein kurzes Geraschel und Gescharre, ein Stuhl wurde verrutscht, Stimmen murmelten drängend, und mir wurde klar, dass ich bei irgendetwas störte. Sandra war nicht zuverlässig als Türsteherin. Ich wollte mich bereits entschuldigen und zurückziehen, als sich Schritte näherten. Die Tür
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