Und das ewige Licht leuchte ihr - Granger, A: Und das ewige Licht leuchte ihr - Rattling the bones
hatten, dass es auf der Hauptverkehrsstrecke nicht weiterging, rannten sie planlos und unzufrieden durcheinander. Ich machte bei einem Stand Halt und kaufte mir etwas zum Essen, bevor ich nach unten in die U-Bahn-Station eilte.
Doch mein Glück hatte mich verlassen. Hier unten sah es genauso aus wie oben, und eine Lautsprecherdurchsage verkündete, dass die Northern Line ein Problem mit den Signalanlagen hätte und deswegen weniger U-Bahnen eingesetzt werden könnten – was die überfüllten Bahnsteige zur Folge hatte. Eine ganze Anzahl Reisender war mit den verschiedensten Gepäckstücken beladen vom Hauptterminal eine Ebene höher herabgekommen, einschließlich einer ganzen Schar von australischen Rucksacktouristen, die bepackt waren wie Kamele. Ich verspürte nicht die geringste Lust, mich in diesem Gedränge in eine U-Bahn zu schieben – falls überhaupt eine kam. Also wechselte ich zur Bakerloo Line, wo es zwar nicht viel besser aussah, doch wenigstens gingen hier mehr Züge. Ich stieg in den nächsten ein und fuhr bis zur Baker Street Station, um endlich erleichtert die frische Luft in der Marylebone Road einzuatmen. Ich blinzelte wie ein Maulwurf angesichts der ungewohnten Helligkeit des Tageslichts. Als ich endlich wieder deutlich sehen konnte, fand ich mich von Angesicht zu Angesicht mit Sherlock Holmes wieder. Ich meine damit nicht die Statue des berühmten Detektivs, die draußen vor dem U-Bahn-Ausgang in der Baker Street steht. Ich meine einen lebendigen, aus Fleisch und Blut.
Okay, ich weiß, es klingt wie ein dummer Witz, aber die Person vor mir war tatsächlich gekleidet wie Sherlock Holmes persönlich. Jagdmütze, Pfeife, Mantelumhang, einfach alles. Der falsche Holmes wanderte auf und ab und lächelte jedermann freundlich an, was Conan Doyles Holmes meiner Meinung nach bestimmt niemals getan hatte. In den Detektivromanen war er mir immer wie ein elender alter Tropf mit einer total überzogenen Meinung von sich selbst vorgekommen, der den loyalen Watson benutzt hatte, um seine verbalen Spitzfindigkeiten und andere Dinge zu erproben. Wäre ich Watson gewesen, ich hätte dem Kerl eins gehustet, so viel steht fest.
Der Anblick dieses falschen Holmes’ hier war etwas, das mich aus der Fassung brachte. Niemand ringsum schien sich im Geringsten am Erscheinungsbild dieser Person zu stören, außer mir. Die Leute passierten ihn mit geschäftigen Schritten und kaum mehr als einem flüchtigen Blick.
Meine Güte, hatte ich etwa Halluzinationen?
Ich konnte nicht anders, ich gaffte ihn an, bis er meinen Blick bemerkte. Er strahlte mich an und machte Anstalten, mir den Weg zu vertreten. Ich wollte mich unter keinen Umständen auf irgendeine merkwürdige Unterhaltung mit ihm einlassen, und ich war nicht wenig erleichtert, als gleich neben mir ein Bus in Richtung North London hielt und ich einsteigen konnte.
Der Bagel lag mir im Magen wie ein unverdaulicher Klumpen Lehm. Ich suchte Ablenkung. Die Londoner Busse sind gute Transportmittel, doch sie sind in der Regel sehr langsam. Man hat reichlich Zeit, dazusitzen und die Welt draußen vor dem Fenster zu beobachten, die sich häufig zu Fuß genauso schnell bewegt wie man selbst im fahrenden Bus, und dabei nachzudenken. Ich wollte einen richtig guten Plan schmieden, um für Ednas Sicherheit zu sorgen, doch mir wollte einfach nichts einfallen. Das größte Problem dabei war Edna selbst.
Abgesehen davon musste ich immer wieder an den falschen Sherlock Holmes denken, die merkwürdige Gestalt vor der U-Bahn.
Er war nicht mehr und nicht weniger als einer der zahlreichen bizarren Anblicke auf den Straßen Londons gewesen, die so regelmäßig und häufig vorkommen, dass sie in all ihrer Eigenartigkeit schon wieder normal sind. Warum sollte irgendjemand ihn anstarren? Er war zufrieden in seiner Verkleidung. Viele Menschen modellieren eine Welt, in der sie sich nicht wohl fühlen, nach ihren eigenen Vorstellungen um, bis sie ihren Ansprüchen genügt. Warum sollte Edna darin so eine Ausnahme sein? Warum sollte sich irgendjemand um Edna scheren? Es gibt Wissenschaftler, die sich monatelang in eine vollkommen abgeschlossene, kontrollierte Umwelt unter einer Glaskuppel einschließen. Es gilt als normal, sie nicht zu stören. Warum sollte man Edna in ihrem selbst erschaffenen Ökosystem stören? War ich – auf meine Weise – nicht schon ein Störenfried für sie? Hatte Ganesh Recht? Sollte ich sie vielleicht besser in Ruhe lassen?
Nein!, sagte ich mir augenblicklich.
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