und das Pergament des Todes
Stein vom Himmel in den sicheren Tod stürzt. Dazu gehört jedoch keinesfalls eine ausgedehnte Diskussion über klassische Philosophie.
Das überlasst ihr besser Profis wie mir.
Stellt euch ein Schiff vor. Nein, nicht ein Luftschiff in der Form eines Drachen wie das, welches sich gerade unter mir in seine Bestandteile auflöste, während ich in den todbringenden Abgrund fiel. Konzentration, bitte. Offensichtlich habe ich den Sturz überlebt, da dieses Buch schließlich in der ersten Person erzählt wird.
Ich möchte, dass ihr euch ein ganz normales Schiff vorstellt. Eins von den hölzernen, mit denen man über das Meer segelt. Ein Schiff, das einem Mann namens Theseus gehörte, einem griechischen König, den der Schriftsteller Plutarch unsterblich gemacht hat.
Plutarch war ein komischer kleiner Grieche, ein Historiker, der vor allen Dingen dafür bekannt ist, ungefähr drei Jahrhunderte zu spät geboren worden zu sein, eine unheimliche Begeisterung für tote Leute zu hegen und sehr, sehr langatmig zu schreiben. (Er hat weit über achthunderttausend Wörter zu Papier gebracht. Die Ehrenwerte Gilde der Fantasy-Autoren, deren Bücher viel zu lang sind– kurz die gute alte EGdFAdBvlzs–, erwägt gerade, ihn zum Ehrenmitglied zu ernennen.)
Plutarch hat ein Gleichnis über das Schiff von Theseus geschrieben. Denn wisst ihr, als der große König Theseus starb, wollten die Menschen etwas haben, um sich an ihn zu erinnern. Also beschlossen sie, sein Schiff für zukünftige Generationen zu bewahren.
Das Schiff wurde immer älter, und schließlich begannen seine Planken– wie Holz das sturerweise immer wieder tut– zu verfaulen. Also ersetzten die Leute die verfaulten Planken. Nach und nach verrotteten auch andere Teile, und die wurden dann ebenfalls ausgetauscht.
So ging das einige Jahre lang. Und schließlich war jedes einzelne Teil des Schiffes ersetzt worden. Und hier setzt Plutarch mit einer Frage an, die viele Philosophen beschäftigt: Ist dieses Schiff noch immer das Schiff des Theseus? Die Leute nennen es so. Jeder weiß, dass es so ist. Und genau da liegt das Problem. Kein einziger Bestandteil des Schiffes stammt von dem ursprünglichen Segler, auf dem Theseus einst gefahren ist.
Ist es also dasselbe Schiff?
Meiner Meinung nach nicht. Das Schiff ist verschwunden, begraben, verrottet. Das Ding, das alle das Schiff des Theseus genannt haben, war in Wirklichkeit nur eine Kopie. Vielleicht hat es genauso ausgesehen, aber der Schein kann trügen.
Tja, und was hat das mit meiner Geschichte zu tun? Alles. Denn seht ihr, ich bin dieses Schiff. Keine Sorge, irgendwann werde ich es euch wahrscheinlich erklären.
Die Dragonaught stürzte durch die Wolken. Die weißen bauschigen Fetzen zogen an mir vorbei wie ein wütender Mahlstrom. Dann, als wir sie hinter uns gelassen hatten, erkannte ich eine gewaltige dunkle Masse unter mir.
Der Ozean. Wieder packte mich dieses Gefühl, das ich kurz zuvor schon einmal gehabt hatte– der schreckliche Gedanke, dass wir alle sterben würden. Und dieses Mal war es meine Schuld.
Blöde Sterblichkeit.
Ein Ruck ging durch die Dragonaught und brachte meinen Magen in Aufruhr. Die mächtigen Flügel schlugen weiter und reflektierten verzerrt das Licht der Sterne, das zwischen den Wolken hervorblitzte. Vorsichtig drehte ich mich um und sah zum Cockpit. Dort stand Kaz, der hochkonzentriert eine Hand auf das Kontrollfeld presste. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen, aber er schaffte es, das Schiff in der Luft zu halten.
Ich hörte, wie etwas zerbrach. Hastig sah ich nach unten und bemerkte, dass ich genau in der Mitte des Bereichs stand, in dem das Glas beschädigt war.
Oh, oh …
Das Glas unter meinen Füßen zersprang, aber zum Glück machte das Schiff in genau diesem Moment eine ruckartige Bewegung nach oben, wodurch ich in den Bauch des Drachen geschleudert wurde. Ich schlug hart auf dem gläsernen Boden auf und presste geistesgegenwärtig einen Fuß gegen die Wand– der sofort haften blieb–, als das Schiff schlingerte.
Kaz leistete beeindruckende Arbeit. Die vier verbliebenen Flügel schlugen wie verrückt, und das Schiff sank jetzt nicht mehr ganz so schnell. Wir waren vom Sturz ins Verderben zur kontrollierten Spirale des Todes übergegangen.
Mit einigen Verrenkungen stand ich auf, und das Krallenglas verlieh mir genug Bodenhaftung, um mich auf den Weg zum Cockpit zu machen. Während ich lief, nahm ich meine Linsen ab und verstaute sie in der für sie vorgesehenen
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