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Und dennoch ist es Liebe

Und dennoch ist es Liebe

Titel: Und dennoch ist es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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der vor ihr stand und den ganzen Himmel ausfüllte. Als sie den Kopf wandte und die Lichtstrahlen sah, die ihn wie ein Heiligenschein umgaben, da verliebte sie sich sofort. Dort, auf dieser Insel, lebte sie viele Jahre mit Lugh, und dort gebar sie ihm auch einen Sohn – Cuchulainn –, doch schließlich nahm sie ihren Jungen und ging wieder nach Hause.«
    Ich öffnete die Augen, denn das war der Teil, den ich am liebsten mochte, und noch bevor mein Vater es aussprach, erkannte ich jetzt, wo ich erwachsen war, zum ersten Mal, warum gerade diese Geschichte stets so eine Wirkung auf mich gehabt hatte.
    »Dechtires Mann, der Häuptling, der jahrelang in den Himmel geschaut und gewartet hatte, hieß sie willkommen, denn immerhin hört man nie wirklich auf, jemanden zu lieben. Und er erzog Cuchulainn wie seinen eigenen Sohn.«
    In all den Jahren, in denen ich diese Geschichte gehört hatte, hatte ich mir meine Mutter als Dechtire und mich selbst als Cuchulainn vorgestellt, Opfer des Schicksals, die gemeinsam auf einer glitzernden Zauberinsel lebten. Doch ich hatte auch die Weisheit des wartenden Häuptlings in mir erkannt. Auch ich hatte nie aufgehört zu hoffen, dass meine Mutter eines Tages doch wieder zu uns zurückkehren würde.
    Mein Vater beendete seine Geschichte und tätschelte mir die Hand. »Ich habe dich vermisst, Paige«, sagte er, stand auf und ging. Ich blinzelte zur Decke hinauf, und ich fragte mich, wie es wohl wäre, das Beste beider Welten zu haben. Ich fragte mich, wie es wäre, die glatten Fliesen im Palast des Sonnengottes unter meinen nackten Füßen zu spüren und in seinem Licht aufzuwachsen.
*
    Bewaffnet mit dem Hochzeitsfoto und der Geschichte meiner Mutter winkte ich meinem Vater zum Abschied und stieg ins Auto. Ich wartete, bis er wieder im Haus war; dann ließ ich meinen Kopf auf das Lenkrad fallen. Was sollte ich jetzt tun?
    Ein Privatdetektiv wäre wohl das Beste, jemand, der mich nicht auslachen würde, wenn ich ihm erklärte, dass ich nach zwanzig Jahren eine vermisste Person aufspüren wollte. Doch er durfte auch nicht allzu viel kosten, und ich wusste noch nicht einmal, wo ich diesen Privatdetektiv finden sollte.
    Als ich die Straße hinunterfuhr, ragte Saint Christopher zu meiner Linken auf. Ich war seit acht Jahren in keiner Kirche mehr gewesen. Max war noch nicht einmal getauft. Damals hatte Nicholas das überrascht. »Ich dachte, du hättest nur Probleme mit dem Katholizismus, nicht mit dem Christentum«, hatte er gesagt, und ich hatte erwidert, dass ich nicht länger an Gott glauben würde. »Nun«, hatte er gesagt und die Augenbrauen gehoben. »Wenigstens sind wir in dieser Frage mal einer Meinung.«
    Ich parkte den Wagen und schleppte mich die glatten Stufen zur Kirche hinauf. Mehrere ältere Frauen saßen im linken Kirchenschiff und warteten auf einen freien Beichtstuhl. Die Minuten vergingen, die Vorhänge wurden nacheinander zurückgezogen, und die Beichtstühle spuckten Sünder aus, die ihre Seelen noch reinwaschen mussten.
    Ich ging das Mittelschiff hinunter – ich hatte immer geglaubt, es einmal als Braut zu durchqueren – und setzte mich in die erste Bank. Das Licht, das durch das Buntglas fiel, warf das verzerrte Bild Johannes des Täufers auf meine Füße. Ich schaute es stirnrunzelnd an und fragte mich, wie ich als Kind immer nur die Pracht dieser Fenster hatte sehen können und nicht die Tatsache, dass sie eigentlich das Licht aussperrten.
    Ich hatte mich von meiner Religion losgesagt – das wusste auch Nicholas –, doch das bedeutete nicht, dass meine Religion auch mich aufgegeben hatte, schließlich war das keine Einbahnstraße. Nur weil ich nicht mehr zu Jesus und der Jungfrau Maria betete, hieß das nicht, dass sie mich kampflos aufgeben würden. Und so folgte Gott mir noch immer, obwohl ich schon längst nicht mehr in die Messe ging und seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gebeichtet hatte. Ich fühlte den Herrn wie ein Flüstern an meiner Schulter, und er sagte mir, so einfach sei es nicht, den Glauben aufzugeben. Ich konnte ihn sanft lächeln hören, wenn ich in Krisenmomenten – zum Beispiel während Max’ Nasenbluten – instinktiv nach ihm rief. Und es machte mich wütend, dass ich ihn einfach nicht aus dem Kopf bekam, egal wie sehr ich mich auch bemühte. Er gab mir noch immer den Kurs vor. Er zog noch immer die Fäden.
    Um nicht weiter aufzufallen, kniete ich mich hin, doch kein Gebet kam über meine Lippen. Unmittelbar vor mir stand die Statue der

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