Und der Basilisk weinte (German Edition)
nur eines: versuchen, aus ihren Fehlern zu lernen, und Gutes tun. Anderen Menschen helfen, die in Not sind.»
Stähli setzte sich wieder zu Nadine und Ferrari an den Tisch. Der Kommissär spielte mit dem leeren Wasserglas.
«Sie sind ein sehr erfolgreicher Arzt.»
«Bin ich das? Ich hatte Glück, einen guten Lehrmeister und einige ganz passable Ideen.»
«Man sagt, dass Sie einer der besten Ärzte weltweit sind. Ihnen sind unzählige Frauen dankbar.»
«Das Lob freut mich. Ich gebe zu, dass ich auf meinem Gebiet einiges bewirkt habe. Dankbar muss mir deswegen niemand sein, ganz im Gegenteil. Ich muss dankbar dafür sein, dass ich hier im Spital die Karriereleiter hochklettern darf und man mir meine Forschungen ermöglicht. Das ist nicht selbstverständlich. Es gibt Unzählige, die über das gleiche Talent verfügen, jedoch nie eine Chance bekommen, dies zu zeigen. Ich hatte ganz einfach Glück.»
«Nur Glück?»
Er lächelte zaghaft.
«Sie haben recht, Frau Kupfer. Bei aller Bescheidenheit, ich habe hart gearbeitet und Leistung erbracht. Darauf bin ich ein wenig stolz. Aber es ist mir nicht in den Kopf gestiegen. Und dankbar müssen mir meine Patientinnen wirklich nicht sein. Ich tue nur das, was ich ihnen schuldig bin.»
Ferrari nickte beim letzten Satz. Er verstand die Doppelbedeutung, die in Stählis Worten mitschwang.
«Haben Sie Kontakt zu Robert Selm oder zu Andreas Richter?»
«Nein, auch nicht. Glauben Sie, dass Arnolds Tod mit den damaligen Ereignissen zusammenhängt?»
«Das wissen wir nicht. Möglich wäre es. Dagegen spricht, dass es fünfzehn Jahre her ist. Wenn sich jemand rächen will, weshalb erst jetzt?»
«Ich glaube nicht, dass jemand so lange warten würde. Ich würde es auf keinen Fall.»
«Und wenn es doch so wäre? Wer käme dafür in Frage?»
«Ganz oben stünde für mich Elisabeth Fahrner, Frau Kupfer. Sie hat uns nach dem Freispruch noch Monate lang mit ihrem Hass verfolgt. Drohungen, Anrufe zu jeder Tages- und Nachtzeit. Sie hat mich förmlich mit ihren Hasstiraden terrorisiert. Meine Einstellung hier im Kantonsspital wäre beinahe gescheitert. Als sie davon erfuhr, schrieb sie sogar einen Brief an das Gesundheitsdepartement. Es hörte erst auf, als ihre Mutter sehr krank wurde. Sicher kämen auch die alten Fahrners in Frage. Wobei ich nicht weiss, ob die überhaupt noch leben. Und …»
«Ja?»
«Bernhard Meister und Anita Brogli!»
«Der Kommissär und seine Assistentin?»
«Die hatten sich dermassen in den Fall verbissen. Anita Brogli fast noch mehr als der Kommissär.»
«Interessant. Und den beiden trauen Sie wirklich einen Racheakt zu?»
«Ja. Als ich im Untersuchungsgefängnis meine persönlichen Sachen abholte, wurden sie mir von Frau Brogli ausgehändigt. Sie flüsterte mir zu, dass es noch nicht zu Ende sei. Dies sei erst der Anfang. Ich könne der Gerechtigkeit nicht entgehen.»
Ferrari lehnte sich im Stuhl zurück und streckte seine Beine unter den Tisch. Anita Brogli! Die Hardlinerin unter dem aufstrebenden Kader. Mit dem absoluten Gerechtigkeitssinn. Mehr noch, mit einem Wahn zur Gerechtigkeit. Für Anita gab es nur Schwarz und Weiss. Und, wer einmal auf der Liste der Schwarzen stand, hatte keine Chance mehr, die Seite zu wechseln. Andererseits konnte sich ein Weisser so einiges erlauben. All die spannenden Grautöne existierten in ihrer Welt nicht. Kurz vor Meisters Pensionierung kam Anita Brogli ins Stolpern, als sich alle bereits einig waren, dass sie seine Nachfolgerin werden würde. Sie hatte einen Verdächtigen dermassen in die Mangel genommen, dass er beim Verhör einen Herzinfarkt erlitt und auf dem Weg ins Spital verstarb. Zwei Tage später wurde der wirkliche Täter gefasst. Die Medien fielen über die Polizei her und Anita verliess das Kriminalkommissariat. Soviel er wusste, ging sie nach Graubünden.
«Sonst noch jemand?»
«Nein, es fällt mir niemand ein. Glauben Sie, dass ich in Gefahr bin?»
«Schwer zu sagen, Herr Stähli. Solange wir keine neuen Erkenntnisse haben, möchte ich Sie bitten, vorsichtig zu sein. Wir tappen noch ziemlich im Dunkeln.»
Nadine erhob sich. Das Gewitter hatte die Luft gereinigt. Die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die Wolken.
«Es wäre schön, wenn sich die finsteren Wolken immer so schnell verziehen würden. Aber das wäre wohl zu einfach», sinnierte Stähli vor sich hin.
Ferrari drückte ihm lange und fest die Hand.
«Ich danke Ihnen», verabschiedete sich der Arzt.
«Danke
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