Und der Basilisk weinte (German Edition)
wird er über eine mögliche Antwort nachdenken. Er nahm eine Auszeit, wie er selbst zu formulieren pflegte. Ferrari liess ihn nicht aus den Augen. Was kommt noch alles zum Vorschein? Ein karrierebesessener junger Staatsanwalt, der weiss, dass etwas faul ist, aber nicht den Mut hat, die vorgesetzte Behörde zu informieren. Ein alternder Kommissär, der weiss, dass man ihn als Marionette missbraucht, aber nicht mehr die Kraft aufbringt, gegen Windmühlen zu kämpfen. Er streicht die Segel, lässt sich frühzeitig pensionieren. Eine Männerfreundschaft zwischen einem Anwalt, einem Arzt und dem Ersten Staatsanwalt, die alle drei das gleiche Ziel verfolgen: vier Mörder zu decken. Was ihnen allem Anschein nach auch gelungen war. So viel zu unserem Justizsystem.
«Was sollte ich denn Ihrer Meinung nach unternehmen, Ferrari?», hörte der Kommissär den Staatsanwalt lamentieren. «Mich gegen den Ersten Staatsanwalt stellen, gegen Hartmann und Stähli? Nein, mein Lieber! Und alles anhand einer wackligen Beweislage, auf Hypothesen aufgebaut, nein, nicht einmal das – auf reiner Spekulation. Es gab keine Beweise dafür, dass Streck ein falsches Spiel gespielt hat.»
«Aber Sie sind überzeugt davon, dass der Prozess von Streck bewusst sabotiert wurde.»
«Harte Worte … sabotiert … also … unter uns», flüsterte Borer. «Streck hat den Prozess bewusst verloren, um den jungen Stähli rauszuhauen. Ja, davon bin ich überzeugt.»
«Klare Worte, Herr Staatsanwalt. Vielen Dank für Ihre Offenheit.»
«Das bleibt aber in diesem Raum, wie besprochen … Ferrari, ich warne Sie …»
«Sie können sich auf mich verlassen. Noch eine letzte Frage. Kennen Sie auch den Verteidiger der vier?»
«Ja sicher, Gregor Hartmann. Wir sind zusammen in der gleichen Rotary-Sektion.»
«Was können Sie mir über ihn erzählen?»
«Ein ausgezeichneter Strafverteidiger. Ich bin froh, dass ich nie gegen ihn antreten musste.»
«Ich werde Herrn Hartmann einen Besuch abstatten», entschied Ferrari.
«Wenn er Sie überhaupt empfängt.»
«Wenn nicht, dann laden wir ihn vor.»
«Das wird ihn kaum beeindrucken. Gregor ist unheilbar erkrankt. Die Ärzte geben ihm keine sechs Monate mehr.»
«Ist er im Spital?»
«Nein. Er will die ihm verbleibende Zeit zu Hause verbringen. Eine Krankenschwester pflegt ihn. Sie sollten es auf die sanfte Tour bei ihm versuchen, wenn ich Ihnen einen gut gemeinten Rat geben darf. Wenn Sie Druck ausüben, wird er starrköpfig.»
«Weshalb sind Sie so gut über Hartmann informiert, Herr Staatsanwalt?»
«Wir hatten gestern Abend einen Rotarier-Treff. Gregor fehlt praktisch nie. Dr. Sommer von der juristischen Fakultät hat ihn entschuldigt und dann langatmig erzählt, wie schlecht es Gregor geht. Schon seit Monaten. Das war beinahe ein Nachruf. Ich persönlich habe keinen Kontakt zu ihm, falls Sie das meinen.»
«Nochmals danke, Herr Staatsanwalt. Sie waren mir eine grosse Hilfe.»
«Keine Ursache. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden, Ferrari. Und finden Sie den Mörder, bevor noch Schlimmeres passiert.»
Nadine wartete bereits ungeduldig am Ausgang.
«Noch ein kleines Nickerchen gemacht?»
«Nein. Einen Abstecher zum Staatsanwalt. Er hat mir einiges ins Ohr geflüstert.»
Nadine hörte gespannt zu.
«Borer hat den gleichen Verdacht wie Meister. Interessant. Ich habe den Kerl vom ersten Augenblick an richtig eingeschätzt.»
«Wen meinst du?»
«Borer natürlich! Ein karrieresüchtiges, kleinkariertes Arschloch. Ohne Mumm in den Knochen. Oder hättest du wegen deiner Karriere auch alles vertuscht, Francesco?»
«Schwierig zu sagen. Zum Glück bin ich noch nie in eine solche Situation geraten.»
«Blödsinn! Du würdest den Stier bei den Hörnern packen und alles in Bewegung setzen, damit der Skandal auffliegt. Also hör gefälligst auf, dich vor Borer zu stellen! Er ist und bleibt eine Flasche. Ich habe es mir übrigens anders überlegt.»
«Was anders? Du sprichst in Rätseln.»
«Ich bin dafür, dass wir zuerst Stähli einen Besuch abstatten. Er war der Kopf der Bande. Wenn wir die anderen aufsuchen, rufen sie ihn an. Dann ist er gewappnet und kann sich seine Antworten zusammenbasteln. Was hältst du davon?»
Ferraris Begeisterung hielt sich in engen, sehr engen Grenzen.
«Ein bisschen mehr Enthusiasmus ist nicht verboten, Francesco.»
Der Kommissär blieb beim Heuwaage-Denkmal stehen.
«Kein gutes Omen, Francesco!»
Er schaute sie fragend an.
«Hier haben wir uns bei einem Fall total
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