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Und der Herr sei ihnen gnädig

Und der Herr sei ihnen gnädig

Titel: Und der Herr sei ihnen gnädig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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über das Gebell hinweg. »Bring ihn nicht um!«
    Mein Vater betrachtete mich mit dem wilden Blick eines Raubtiers. Ich hatte das Gefühl, dass er mich gar nicht mehr richtig wahrnahm.
    »Bring ihn nicht um!«, wiederholte ich lauter.
    Diesmal hörte er mich. Decker lockerte seinen Griff und nahm die Pistole aus Pepes Mund.
    »Setz ihn auf«, sagte ich. »Ich hole ihm ein Glas Wasser.« Ich tätschelte Pepes rotes, schweißnasses Gesicht. »Ich weiß nicht, wie lange ich ihn noch bändigen kann«, erklärte ich und deutete dabei auf Decker. »Sie sollten ihn nicht verärgern.«
    Ich ging in die Küchennische hinüber, schlug im Vorbeigehen gegen die Schranktür. Meine Brust schmerzte, und ich bekam vor Aufregung kaum Luft. Das Geschirr im Spülbecken sah aus, als würde es sich dort schon seit der Steinzeit stapeln. Kleine schwarze Ameisen krabbelten über die Küchentheke. Auf der Suche nach einem sauberen Glas öffnete ich einen Schrank, fand aber nur ein paar blaue Plastiktassen, von denen ich eine mit trübem Leitungswasser füllte. Ich überlegte kurz, ob ich mir auch eine Tasse einschenken sollte, verzichtete dann aber aus Angst vor unsichtbaren Mikroben. Als ich Pepe das Wasser brachte, klopfte ich im Vorbeigehen wieder gegen die Schranktür.
    Fuego schien langsam zu kapieren. Sein Kläffen klang schon wesentlich verhaltener. Pepe saß mit gesenktem Kopf und zitternden Händen auf der Couch. Mein Vater stand über ihn gebeugt, die Waffe noch immer in der rechten Hand. Ich reichte dem kleinen Mann das Wasser. Nachdem er gierig davon getrunken hatte, dankte er mir sogar.
    »Geht's wieder?«, fragte ich Pepe.
    Renaides beäugte Decker. »Er ist verrückt!«
    »Nein, bloß sehr reizbar«, korrigierte ich ihn.
    »Möchtest du ihn lieber selbst nach dem Nova fragen, Miss Neunmalklug?«
    »Immer mit der Ruhe!«, gab ich zurück.
    »Mein Finger beginnt allmählich zu jucken.«
    Ich sah Pepe an und verdrehte die Augen. Sein Blick sagte danke. Irgendwie waren Decker und ich in das »Guter-Cop-böser-Cop«-Spiel verfallen - nur dass es kein Spiel war. Ich ließ mich neben Pepe nieder.
    »Sunset und Marchant... kurz nach zwölf gestern Nacht. Ein bronzefarbener Nova, getönte Scheiben, Grundierfarbe an der Fahrertür, verbeulte Motorhaube, gestohlenes Nummernschild.« Ich nannte ihm das Kennzeichen. »Sie haben auf einen schwarzen 92 er Toyota Corolla geschossen. In dem Wagen saß eine Polizistin. Eine schlimme Geschichte, Pepe. Es wäre gar nicht gut für Sie, wenn Sie was damit zu tun hätten.«
    »Ich weiß davon nichts.«
    Decker schob ihn so ruckartig gegen die Rückenlehne der Couch, dass das Wasser aus der Tasse auf seine nackte Brust schwappte. Renaides' Gesicht wurde vor Angst ganz bleich.
    »Sei nicht so grob zu ihm!«, schalt ich Decker. Ich stand auf, um ein Handtuch zu holen. Wieder nutzte ich die Gelegenheit, gegen die Schranktür zu schlagen. In der Küche fand ich ein paar Servietten. Nachdem Pepe sich damit abgetrocknet hatte, ließ ich mich wieder neben ihm nieder. »Renaides, wir haben ein Glaubwürdigkeitsproblem.«
    Er sah mich verständnislos an.
    »Ich glaube Ihnen nicht«, erklärte ich. »Non creo you.« Decker lächelte.
    »Sieht aus, als würden Sie in ernsten Schwierigkeiten stecken«, sagte ich. »Mucbo problemos, usted tiene. Comprendes}« Ich warf einen Blick zu meinem Vater hinüber. »Könntest du das bitte übersetzen?«
    »Nicht nötig. Er hat dich genau verstanden.«
    »Du bist mir wirklich eine große Hilfe.« Ich wandte mich wieder an Pepe und deutete auf Decker. »Er ist verrückt.« Dann deutete ich auf mich selbst. »Ich nicht. Reden Sie mit mir, Pepe.«
    »Ich bin gestern Nacht nicht gefahren. Ich war hier.«
    »Haben Sie ein Alibi, abgesehen von Fuego?«
    Wieder starrte er mich verständnislos an.
    Ich wandte mich an meinen Vater. »Bitte!«
    Dad stellte die Frage auf Spanisch.
    Renaides schüttelte achselzuckend den Kopf. »Ich war hier«, wiederholte er.
    »Allein?«, fragte ich. »Solo?« »»Si, solo.«
    »Blödsinn!«, bellte mein Vater. Er platzierte seine Waffe auf Renaides' Oberkopf.
    Sanft schob ich sie weg und betrachtete nachdenklich Pepes Gesicht, dessen Farbe von Rot zu Weiß gewechselt hatte. Mittlerweile war seine Haut nicht nur blass, sondern wies zusätzlich einen unguten Blaustich auf. »Ich glaube Ihnen ja, Renaides«, sagte ich, »aber er glaubt Ihnen nicht, und deswegen haben Sie ein Problem.«
    Pepes Blick wanderte zwischen uns hin und her. »Ich war nicht

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